Erstattungen von Mehraufwand durch Corona für stationäre und ambulante Organisationen in der Pflege

Die Corona-Pandemie führt zu deutlichem Mehraufwand in stationären Pflegeeinrichtungen und bei ambulanten Pflegediensten. Dieser Mehraufwand wird durch die Pflegekassen nun refinanziert (§ 150 Abs. 3 SGB XI). Wir haben für Sie die wichtigsten Informationen kompakt zusammengestellt, welche Kosten berücksichtigt werden können, wie das Verfahren aussieht und was zu beachten ist. Sollten Sie Unterstützung benötigen, melden Sie sich bei unseren Spezialisten für die Altenpflege: Stefan Löwenhaupt und Johannes Pfahler. Hinweise für den Bereich der Eingliederungshilfe sind in der Bearbeitung.

Grundlage

Die Grundlage für die Erstattung finden sich in den Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150 Abs. 3 SGB XI. 

 

Anwendungsbereich

  • Stationäre Pflegeeinrichtungen (inklusive Tagespflegen), inklusive folgender Leistungsbestandteile:  
    • zusätzliche Betreuungskräfte nach § 43b SGB XI,
    • Unterkunft und Verpflegung,
    • Ausbildungszuschlag;
    • nicht berücksichtigt werden Investitionskosten
  • Ambulante Pflegedienste, inklusive folgender Leistungsbestandteile:
    • Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI,
    • Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI,
    • Individuelle Schulungen in der Häuslichkeit nach § 45 SGB XI;
    • nicht berücksichtigt: Niedrigschwellige Angebote nach § 45a SGB XI (Klärung auf Landesebene).

 

Erstattungsanspruch

Personalkosten

  • Zusatzaufwendungen könnten sein: z.B. für ausgezahlte Mehrarbeit, für Ersatzpersonal und z.B. einen Corona-Zuschlag.
  • Honorarkräfte werden explizit genannt. Auch wenn der Einsatz von Freiberuflern flächendeckend bisher vertraglich ausgeschlossen ist, ist im Falle der Öffnung dieser Option, die Erstattungsfähigkeit gegeben
  • Neben Pflege und Betreuung ist die Erstattungsfähigkeit auch bei „sonstigem Personal“ gesichert
  • Die Inanspruchnahme von Fremddienstleistungen (z. B. Fahrdienste für die Tagespflege) ist explizit aufgenommen worden

 

Sachkosten

  • Die Formulierung zum Erstattungsanspruch bei Sachmitteln heißt „insbesondere“: „Erhöhte Sachmittelaufwendungen insbesondere aufgrund von infektionshygienischen Schutzmaßnahmen“. Inwieweit damit auch andere Sachkosten abgedeckt sind ist nicht klar, diese sollten in jedem Fall aber auch dokumentiert werden.

 

Einnahmeausfälle durch Verzicht auf Neuaufnahmen

  • Einnahmeausfälle bei stationären Pflegeeinrichtungen infolge von
    • (Teil)Schließungen oder Aufnahmestopp,
    • zur Eindämmung der Infektionsgefahr (aufgrund behördlicher Anordnung oder einer infektionsschutzbedingten Maßnahme des Trägers) sowie
    • infolge von nicht möglicher Neubelegung aufgrund von Infektionsschutzmaßnamen, einer SARS-CoV-2-bedingten Nichtinanspruchnahme oder aufgrund SARS-CoV-2-bedingtem Personalausfall

 

 

Empfehlung

Die Zusatzaufwendungen (zusätzliches Personal) sowie Zulagen oder ausgezahlte Mehrarbeit sollten intern exakt dokumentiert gebucht werden (ggf. Kostenstelle „Corona“ einrichten)

Erstattungszeitraum

Corona-bedingte Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen zwischen 1. März und 30. September 2020 (unabhängig davon wann einzelne offizielle Maßnahmen im März in Kraft getreten sind).

 

Basismonat für Berechnung Erstattungsbetrag

Grundlage für Geltendmachung von Erstattungen: Forderungen der Einrichtung des Monats Januar 2020.

 

Auszahlungsmodus

Die zuständige Pflegekasse zahlt den Erstattungsbetrag innerhalb von 14 Kalendertagen nach der Geltendmachung an die Pflegeeinrichtung aus. Sofern nur ein Teilbetrag oder keine Auszahlung erfolgt, informiert die Pflegekasse die Pflegeeinrichtung schriftlich über die Gründe. Die Auszahlung erfolgt vorläufig bis zum Abschluss eines Nachweisverfahrens.

 

Geltendmachung

Mindereinnahmen bezieht sich jeweils auf den gesamten abgelaufenen Monat und können deshalb erst im Folgemonat geltend gemacht werden. Es können aber auch mehrere Monate im Zeitraum März bis September 2020 in einem Antrag zusammengefasst werden. Nachmeldungen sind bis Jahresende 2020 möglich (Antrag soll in elektronischer Form eingereicht werden; in diesem Falle ist eine originalgetreue Nachbildung der Unterschrift (Faksimile) ausreichend; Muster für die Geltendmachung wird derzeit erstellt).

 

Berechnung des Erstattungsbetrags

1. Mehraufwand:

SUMME MEHRAUFWENDUNGEN = Sachmittelmehraufwand + Personalmehraufwand für Pflege- u. Betreuungspersonal + Höhe der Personalmehraufwand f. sonst. Personal

 

2. Mindereinnahmen

SUMME EINNAHMEN Erstattungsmonat = Umsätze Pflegebedürftige + Umsätze Pflegekassen (u. Krankenkassen für HKP-Leistungen) + Umsätze Sozialhilfeträger + Sonstige Einnahmen (z.B. aus Arbeitnehmerüberlassung, Kurzarbeitergeld od. anderweitige Entschädigungen)

 

Referenzmonat

SUMME EINNAHMEN Januar 2020 = Umsätze Pflegebedürftige + Umsätze Pflegekassen (u. Krankenkassen für HKP-Leistungen) + Umsätze Sozialhilfeträger  + Sonstige Einnahmen)

 

Ausgleich für Mindereinnahmen

= Einnahmen Referenzmonat – Einnahmen Erstattungsmonat

Erstattungsbetrag= Summe aus Mehraufwendungen und Ausgleich für Mindereinnahmen

 

Hinweis: Die Einnahmen des Referenzmonats Januar und die Einnahmen des Erstattungsmonats müssen nach den gleichen Kriterien ermittelt werden. Achtung bei Abgrenzungen am Jahresende (Dezember/Januar) und bei Monatsabgrenzungen (monatsgenaue Abrechnung der Leistungen/Kosten erforderlich).

 

Nachweisverfahren

Nachgelagertes Verfahren, z.B. im Rahmen der nächsten Pflegesatzverhandlung. Etwaige Überzahlungen nach § 150 Absatz 2 SGB XI können aufgrund von angeforderten Nachweisen seitens der Pflegekassen festgestellt werden. Erhaltene staatliche Unterstützungsleistungen müssen der Pflegekasse, die die Auszahlung durchgeführt hat, unaufgefordert mitgeteilt werden.

Nachweise können z.B. sein:

  • Personalmehraufwendungen: a) Nachweise z.B. über angeordnete und erbrachte Mehrarbeitsstunden und deren Vergütung, b) Nachweise über Neueinstellungen oder Stellenaufstockungen mit entsprechenden Gehaltsnachweisen, c) Verträge mit Zeitfirmen mit Angabe der Vergütung bzw. Abrechnungen oder d) Nachweise über Personalaufwendungen aufgrund von Arbeitnehmerüberlassung
  • Sonstiger Mehraufwand: Rechnungen
  • Einnahmeausfälle/Mindereinnahmen bei ambulanten Pflegediensten: Nachweise über die tatsächlichen Einnahmen einschließlich staatlicher Unterstützungszahlungen oder Einnahmen aus Arbeitnehmerüberlassung

 

Meldung der wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungserbringung nach § 150 Abs. 1

Im Falle einer wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungserbringung infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 ist der Träger einer nach § 72 zugelassenen Pflegeeinrichtung verpflichtet, diese umgehend den Pflegekassen gegenüber anzuzeigen. Dies gilt auch dann, wenn z.B. die Schließung von Seiten einer Landesbehörde angeordnet wurde.  

 

 

Tagespflegen

Wie kann ich Anträge zur Absicherung der Erlösausfälle gem. § 150 Abs. 3 SGBXI stellen?

Bei sinkender Auslastung oder Schließungen sollen freiwerdende Personalkapazitäten für die Versorgung von Pflegebedürftigen in anderen Bereichen eingesetzt werden. Z.B. könnte das Personal in der vollstationären Pflege oder ambulanten Pflege zusätzliche Corona-bedingte Mehrarbeiten übernehmen oder Personalausfälle kompensieren. Dabei sind zum flexiblen Einsatz des Personals in anderen Versorgungsbereichen alle bestehenden Instrumente und Mittel einschließlich des Vertragsrechts zu nutzen, bei denen zulassungsrechtliche Voraussetzungen zweckgerichtet und unbürokratisch angewandt werden.

 

Sollen nach der Schließung der Tagespflege Kurzarbeit beantragt werden?

Die Inanspruchnahme von Kurzarbeit wird vom BMG und GKV grundsätzlich vorrangig gesehen. Ziel ist aber gerade nicht, dass das dringend benötigte Personal (in Tagespflegeeinrichtungen) in KA geschickt wird.

Der Antrag auf Kurzarbeit hängt von der jeweiligen Situation vor Ort ab. Generell ist vorab zu prüfen, inwieweit Personal in anderen Bereichen des Unternehmens eingesetzt werden kann und muss, sofern nicht durch Urlaub und Überstundenausgleich vorübergehende Lösungen möglich sind.  

 

Muss die Ausbildungsumlage gezahlt werden?

Ausbildungsumlage ist unabhängig von der behördlichen Schließung des Betriebs ab 01.06.2020 zu zahlen.

 

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: Stefan Löwenhaupt und Johannes Pfahler