Aktuelle Herausforderungen für Werkstätten für Menschen mit Behinderung – und wie Sie sich darauf vorbereiten können!

Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) stehen derzeit vor mehreren Herausforderungen hinsichtlich ihrer Auftragslage, der Fallzahlen an Beschäftigten, neuen Zielgruppen und veränderten Erwartungshaltungen bei Mitarbeitenden und Beschäftigten. Weitere Faktoren sind der Fach- und Arbeitskräftemangel sowie alternative Angebote, die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) etabliert wurden. Zudem sorgen politische Vorhaben, wie Überlegungen zur Ausgliederung des Berufsbildungsbereichs (BBB) oder der Wegfall der Anrechnung von Werkstattaufträgen auf die Ausgleichsabgabe, für Unsicherheit. Anlass genug, sich diese Herausforderungen näher anzusehen und mögliche Lösungen zu skizzieren.

Digitalisierung / Automatisierung

Der digitale Wandel der Arbeitswelt, der durch künstliche Intelligenz einen weiteren Schub erhalten hat, wird den zukünftigen Arbeitsmarkt radikal verändern. Einerseits wird die zunehmende Automatisierung zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen, und zwar insbesondere in Bereichen, die stark von einfachen Routinetätigkeiten geprägt sind. Andererseits werden alle Professionen rund um die IT eine höhere Nachfrage erfahren. In Berufen, in denen die menschliche Arbeitskraft durch künstliche Intelligenz, Roboter und Maschinen gut zu ersetzen ist, können Digitalisierung und Automatisierung möglicherweise sogar dazu beitragen, die absehbaren demographischen Effekte einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung sowie den Fach- und Arbeitskräftemangel zumindest in Teilen zu kompensieren. Auch in der Sozialwirtschaft werden zunehmend Aufgaben und Prozesse digitalisiert und automatisiert. Allerdings sind hier die Substituierbarkeitspotenziale in den Bereichen Pflege, Betreuung und Assistenz deutlich geringer, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1: Durchschnittliches Substituierbarkeitspotenzial in den von Frauen und Männern ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nach Berufssegmenten in Deutschland (2019), in Prozent. (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut, 2019)1

Werkstätten für Menschen mit Behinderung können im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Arbeits- und Fachkräften von den skizzierten Substitutionsprozessen, zumindest in einer Übergangsphase, möglicherweise sogar profitieren. Zudem können mit Hilfe künstlicher Intelligenz und Digitalisierung in fachlicher Hinsicht Assistenzsysteme für Beschäftigte verbessert werden und mehr Teilhabe in und außerhalb von Werkstätten ermöglichen. Probleme resultieren dagegen im Hinblick auf die Auftragslage von Werkstätten: Denn von Automatisierung und Digitalisierung besonders betroffen sind insbesondere einfache oder körperlich anstrengende Tätigkeiten. Ein Teil dieser Tätigkeiten, wie etwa das Sortieren, Verpacken, Etikettieren oder Montieren, wurden in der Vergangenheit häufig an Werkstätten für Menschen mit Behinderung vergeben. Ein höherer Automatisierungsgrad in der Industrie führt hier zu einem Rückgang von klassischen Aufträgen für Werkstätten wie uns viele Werkstätten im Rahmen unserer Beratungsprojekte bestätigt haben.

Wirtschaftliche Transformationsprozesse

Einige bedeutende Branchen der deutschen Wirtschaft befinden sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Der Wandel etwa der Automobilindustrie ein wichtiger Auftraggeber für viele Werkstätten – in Richtung Elektromobilität führt bereits zu einem Abbau der Stammbelegschaften bei den Produzenten und Zulieferbetrieben (siehe VW, FZ; sozialwirtschaftliche Organisationen in der Nähe der VW-Stammwerke berichten bereits von Initiativbewerbungen). Da die Verkaufszahlen der Elektrofahrzeuge deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben und Elektromotoren weniger komplex und aufwendig in der Montage sind als Verbrennungsmotoren (es werden weniger Bauteile benötigt), sinkt der Bedarf an Montageschritten. Dies hat zur Folge, dass viele Werkstätten lukrative Aufträge verlieren und neue attraktive Auftraggeber finden müssen.

Globalisierung und Ukraine-Krieg

Die Corona-Pandemie und internationale Konflikte haben verdeutlicht, wie anfällig global organisierte Wertschöpfungs- und Lieferketten sind. Für Werkstätten hatte dies wie für viele andere Unternehmen z.T. erhebliche Auswirkungen: Vorprodukte konnten im Ausland nicht gefertigt werden, sind auf ihrem Weg nach Europa im Suezkanal gestrandet oder mussten aufgrund von Piraterie am Horn von Afrika lange Umwege nehmen. Dies führte zu Problemen bei der Auslastung. Zusätzlich verursachte der Ukraine-Krieg Störungen, die zumindest vorübergehend bei einigen Werkstätten zu längeren Phasen ohne Aufträge führten. Werkstätten, die beispielsweise Ikea-Lattenroste für den russischen Markt montiert haben und da gab es einige haben die Folgen des Ukrainekrieges unmittelbar gespürt.

Die Globalisierung wird auch in Zukunft trotz aller Risiken ein strukturgebendes Organisationsprinzip der Weltwirtschaft bleiben. Wo bestehende Lieferketten wegbrechen, entstehen neue, verlässlichere Netzwerke mit anderen Regionen. Da der Wirtschaftsstandort Deutschland an Attraktivität eingebüßt hat, dürfte sich dieser Trend zumindest kurz- und mittelfristig verstärken. Für Werkstätten bedeutet dies vielfach: Die eigentliche Konkurrenz sitzt nicht Deutschland, sondern im Ausland. Aus einer Befragung bei Unternehmen, die wir für eine Werkstatt durchgeführt haben, wissen wir, dass Unternehmen häufig vor genau dieser Entscheidung stehen: Vergabe von Aufträgen an eine WfbM oder ins Ausland. Zentrale Entscheidungsfaktoren für die Werkstätten sind dabei Qualität, Verlässlichkeit und der Preis. Weniger wichtig, aber dennoch ein Faktor sind die räumliche Nähe sowie das Fehlen sprachlicher oder kultureller Barrieren. Die Botschaft lautet hier: Preis und Professionalität in der Auftragsabwicklung sind die entscheidenden Kriterien. Die Möglichkeit Aufträge an die WfbM auf die Ausgleichsabgabe anzurechnen, spielt z.T. eine Rolle, entscheidend ist aber das Gesamtpaket.

Impacts von Corona

Corona hat nicht nur die Wirtschaft, sondern (möglicherweise) auch die Menschen verändert. Viele Werkstätten berichten, dass seit Corona Mitarbeitende mit und ohne Behinderung vermehrt den Wunsch nach Teilzeit äußern, mehr Achtsamkeit praktizieren und – leider – auch häufiger krank sind.  Die Daten aus unseren Beratungsprojekten sind hier nicht repräsentativ, aber die Richtung des Trends korrespondiert eindeutig mit den amtlichen Daten für Arbeitnehmende insgesamt.2 Unabhängig davon, ob Corona hierfür wirklich die Ursache war: höhere Krankenstände bei den Mitarbeitenden führen zu typischen Effekten, wie sinkende betriebliche Produktivität und höhere Belastungen bei den verbleibenden (gesunden) Mitarbeitenden, die Produktivitätseinbußen (bei entsprechender Auftragslage) auffangen müssen. Auf Seiten der Beschäftigten führen Teilzeitbeschäftigung (das ist das gute Recht der Beschäftigten!) und Krankheit (je nach rahmenvertraglicher Ausgestaltung in den Bundesländern) zusätzlich zu einer Kürzung bei den Entgelten, was in manchen Organisationen zu einer weiteren Verschärfung der wirtschaftlichen Lage führt.

Fallzahlen Beschäftigte im Arbeitsbereich und Besucher des BBB

Eine weitere wichtige Entwicklung betrifft die Fallzahlen bei den Teilnehmenden im Eingangsverfahren (EV) / Berufsbildungsbereich (BBB) sowie Beschäftigten im Arbeitsbereich der Werkstätten: Die folgende Abbildung basiert auf den Statistiken der BAG WfbM und zeigt zum einen, dass die Zahl der belegten Plätze bei den in der BAG organisierten Werkstätten3 in den letzten Jahren immer über der Zahl der genehmigten Plätze lag. Zum anderen wird hier deutlich, dass die Fallzahlen insgesamt im Arbeitsbereich (inkl. der Fördergruppen mit Sozialversicherung) seit 2019 (erstmals seit vielen Jahren) kontinuierlich rückläufig sind. Insgesamt lag die Zahl der belegten Plätze 2023 um rd. 9.900 unter der Zahl der belegten Plätze 2019.

Abbildung 2: Entwicklung Fallzahlen Teilnehmer EV / BBB und Arbeitsbereich Werkstätten, eigene Darstellung auf Basis der Daten der BAG WfbM4

Die Entwicklungen waren dabei in einzelnen Bundesländern und Regionen sehr unterschiedlich, wie die nachfolgende Tabelle5 zeigt.

Während in einigen Bundesländern, wie z. B. in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen Schleswig-Holstein und Thüringen die Zahlen um 9,4 bis 19,5 Prozentpunkte zurückgegangen sind, gab es in anderen Bundesländern im Vergleich von 2019 und 2023 eine Stagnation der Fallzahlen (Bayern) oder sogar einen Zuwachs (z. B. Mecklenburg-Vorpommern).

Im Bereich der Beruflichen Bildung sind den Daten der BAG WfbM zufolge die Fallzahlen zunächst von rund 29.100 im Jahr 2019 auf 29.300 im Jahr 2020 gestiegen, anschließend aber deutlich auf 25.800 im Jahr 2021 zurückgegangen. Die Fallzahlen haben 2022 und 2023 zwar wieder etwas zugelegt, mit rd. 27.900 aber noch nicht das Ausgangsniveau von 2019 wieder erreicht. Dieser Aspekt ist insofern wichtig, als die Fallzahlen im BBB immer noch ein wichtiger Prädiktor für die Fallzahlen im Arbeitsbereich von Werkstätten (mit den üblichen Verzögerungseffekten) sind. Bleiben die Fallzahlen im BBB dauerhaft auf diesem Niveau, wird sich auch die Zahl der Beschäftigten im Arbeitsbereich weiter verringern.

Inwieweit die rückläufigen Fallzahlen bei den Teilnehmenden des BBB und bei den Beschäftigten im Arbeitsbereich auch Folge einer Steuerung durch Leistungsträger ist, wird gegenwärtig diskutiert. Klar ist, dass sowohl Leistungsträger als auch Werkstätten sich seit Jahren bemühen, Menschen mit Behinderung verstärkt in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Das politische Ziel ist bei allen Beteiligten unstrittig, braucht aber auch Voraussetzungen, wie z.B. einen inklusiven, offenen Arbeitsmarkt oder etwa die Möglichkeit für Menschen mit Behinderung Teilqualifikationen zu erwerben, die ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern6. Aktuell diskutiert wird zudem die Herauslösung des BBB aus dem Werkstattkontext, um so Automatismen bei den Übergängen zwischen BBB und Arbeitsbereich der WfbM zu vermeiden. Der Aktionsplan des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) enthält weitere Vorschläge zur „Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ (Aktionsfeld 1), wie zum Beispiel ein rentenrechtlicher Nachteilsausgleich beim Budget für Arbeit, die Öffnung der Unterstützten Beschäftigung für Menschen, die im Anschluss voraussichtlich Anspruch auf ein Budget für Arbeit haben, die stärkere Einbindung von Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) beim Budget für Arbeit, die intensivere Beteiligung externer Fachdienste bei der Übergangsbegleitung von ausgelagerten Arbeitsplätzen einer WfbM in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sowie die Streichung der Anrechnung von Werkstattaufträgen auf die Ausgleichsabgabe7.  

Unabhängig davon, in welchem Maße Kostenträger tatsächlich aktiv den Zugang zur Werkstatt steuern, Werkstätten durch eigene Initiativen mehr Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt gestalten, die Wirtschaft angesichts des Arbeitskräftemangels offener auch für Menschen mit Behinderung geworden ist, alternative Angebote für Menschen mit Behinderung attraktiver sind oder demographische Effekte eine Rolle spielen. In der Summe führen alle diese Effekte zumindest in einem Teil der Werkstätten zum gleichen Ergebnis:  zu einer geringeren Zahl an Beschäftigten.

Aktive Gestaltung der Zukunft

Die skizzierten Entwicklungen stellen viele Werkstätten vor erhebliche Herausforderungen. Für Werkstätten gilt es, zeitnah aktiv auf diese Herausforderungen zu reagieren und die eigene Handlungs- und Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Sicherung der Rentabilität

Im Mittelpunkt steht dabei die Sicherung der wirtschaftlichen Rentabilität vor dem Hintergrund einer veränderten Auftragslage und Auslastung. Dies bedeutet, es geht zum einen darum kurzfristig die Liquidität sicher zu stellen und die finanziellen Ergebnisse zu verbessern als auch mittelfristig eine Strategie für eine nachhaltige Transformation der Werkstätten zu entwickeln.

Kurzfristig sollten Werkstätten verstärkt

  1. Vertriebsmaßnahmen implementieren
  2. die Auftragsakquise verbessern
  3. das interne Kostenmanagement und Controlling optimieren und
  4. die Erträge im Bereich der Rehabilitation über Entgeltverhandlungen steigern.

Die Akquise neuer Aufträge sowie die Preisverhandlung bei bestehenden Aufträgen sind dabei von entscheidender Bedeutung. Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Werkstätten Vertrieb und Auftragsakquise immer noch an das (verdienstvolle) Engagement einzelner Personen knüpfen, aber nicht systematisch betreiben. Dabei liegen hier wesentliche Potenziale.

Für Preisverhandlungen essenziell ist eine solide Auftragskalkulation. Hierfür braucht es ein Instrument, in dem vor allem aktuelle Basisdaten hinterlegt sind (z. B. Std.-Sätze Werkstattmitarbeitender, Gemeinkosten und Zuschlagssätze), das aber auch eine detaillierte Erfassung der erforderlichen Produktionsschritte und Bearbeitungszeiten ermöglicht. Schätzungen helfen hier nicht. Zudem sollten Instrumente für Zwischen- und Nachkalkulationen erarbeitet/optimiert werden, die zur Überprüfung der Rentabilität der Aufträge sowie der zugrundeliegenden Kalkulationsgrundlagen dienen können und die Voraussetzung für Nachverhandlungen bilden.

Auch das Controlling ist in vielen Werkstätten noch nicht auf dem Stand, dass präzise betriebswirtschaftliche Informationen zum betriebswirtschaftlichen Ergebnis und zur Auftragslage aus den technischen Systemen unkompliziert generiert werden können. Hier braucht es ein Controlling-System, das auf Kostenstellenebene steuerungsrelevante trennscharfe Informationen für folgenden Aspekten liefert:

  • relevante Segmente der Werkstatt, wie z. B. Produktion, Rehabilitation, betriebsintegrierte Arbeitsplätze, Verwaltung und BBB
  • interne Organisationsstruktur des Berufsbildungs- und Arbeitsbereichs, wie z. B. Standorte oder Fachbereiche (Metall, Montage, Verpackung etc.)
  • Kennzahlen, z. B. zur Rentabilität einzelner Aufträge, zum Personaleinsatz oder zur Auftragsreichweite für die kommenden Wochen und Monate

Von Bedeutung ist das Controlling auch für die Entgeltverhandlungen: sinkt die Zahl der Beschäftigten in einer Werkstatt dauerhaft, passen in der Regel die Struktur-/Overheadkosten nicht mehr zu den Entgelten (die auf eine größere Zahl von Beschäftigten ausgelegt ist). Dann müssen diese Kosten über Entgeltverhandlungen auf eine andere Basis gestellt werden.

Auch für die Personalmengensteuerung ist das Controlling zentral: in der Regel können kurzfristige kleinere Schwankungen der Belegung unterjährig ausgeglichen werden. Problematisch wird es, wenn die Belegung strukturell einer Veränderung unterliegt. Dies kann beispielweise durch einen systematischen Rückgang der Beschäftigtenzahl, eine Zunahme der Teilzeitbeschäftigten oder Veränderungen im Hilfebedarf-Mix bedingt sein. In solchen Fällen sind entsprechende Informationen aus dem Controlling erforderlich, um schnell darauf reagieren zu können.

Zunehmend größere Bedeutung kommt dem Übergangsmanagement zu. Dies gilt sowohl jeweils gesondert für die Übergänge aus den Systemen BBB und Arbeitsbereich, aber auch für die Übergänge zwischen beiden Bereichen. Hier braucht es zunächst ein fachliches Konzept wie man diese Übergänge fördert und gestaltet. Dabei kommt der (Teil-)Qualifizierung der Beschäftigten auch im Arbeitsbereich eine überragende Bedeutung zu. Die arbeitsbegleitenden Maßnahmen werden hier vielfach eine Neuausrichtung erfahren müssen. Diese Maßnahmen müssen zudem auch einem systematischen Controlling unterliegen, um die Erfolgsfaktoren für Übergänge identifizieren und anschließend auch Prozesse professionalisieren zu können.

Strategische Positionierung

Neben diesen kurzfristigen operativen Maßnahmen braucht es eine mittelfriste strategische Positionierung der Werkstatt, um den Herausforderungen in einem dynamischeren Umfeld begegnen zu kennen. Hierzu gehören ehrliche – und hoffentlich empirisch gestützte – Antworten auf folgende Fragen:

  • Was wird die Rolle und Funktion der Werkstatt der Zukunft sein?
  • Welche Klient*innen stehen dann vor den Toren der Werkstatt, welche Erwartungshaltungen haben diese und ihre Angehörigen?
  • Wie viele Beschäftigte wird die Werkstatt in fünf Jahren noch haben, kann die Werkstatt wachsen oder braucht es einen kontrollierten Schrumpfungsprozess?
  • Welche Aufträge kann die Werkstatt noch bearbeiten, wenn die leistungsfähigen Beschäftigten im ersten Arbeitsmarkt, bei andere Leistungsanbietern, auf betriebsintegrierten Arbeitsplätzen oder im Budget für Ausbildung / Arbeit sind?
  • Welche Aufträge sind in der Region zu realisieren, was wird nachgefragt?
  • Welche Kooperationen und Partnerschaften sind möglich?
  • Welche Chancen bieten Digitalisierung und KI für Bildung und Teilhabe an Arbeit?
  • Wie kann die Werkstatt im Wettbewerb mit anderen Angeboten einen pädagogischen Mehrwert ihrer Aufträge sichern, um Menschen, für die der erste Arbeitsmarkt oder betriebsintegrierte Arbeitsplätze keine Alternative darstellen, Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung zu ermöglichen, die die individuellen Interessen der Beschäftigten berücksichtigen?

Ebenfalls mittelfristig sind die

  • Einführung passgenauer flexibler Organisationsstrukturen, die es Werkstätten ermöglichen, agiler auf Marktveränderungen zu reagieren,
  • Stärkung der Mitarbeitenden- und Kund*innenbindung sowie
  • Entwicklung kreativer und innovativer (Eigen-)Produkte und
  • Ausdifferenzierung des Angebotsspektrums (z. B. Inklusionsfirmen, Anderer Leistungsanbieter, Budget für Arbeit)

weitere wesentliche Schritte, um das Überleben der Werkstätten zu sichern.

Nachhaltigkeit als Chance

Deutschland hat sich mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden8. Zur Erreichung dieses Ziels wurden bereits verschiedene Gesetze erlassen, darunter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die CSR-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese Gesetze verpflichten deutsche Unternehmen, im Rahmen des Nachhaltigkeitsreporting über ihre Fortschritte im Hinblick auf die drei ESG-Dimensionen (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zu berichten. Dies könnte für Werkstätten für Menschen mit Behinderung eine Chance darstellen, da ihre Leistungen einen sozialen Mehrwert bieten, der im Rahmen einer nachhaltigen Wirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Fazit

Trotz der politischen Bemühungen, Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wird es – zumindest für einen Übergangszeitraum – notwendig sein, Werkstätten für Menschen mit Behinderung aufrechtzuerhalten. Sei es, weil das aufnehmende Wirtschaftssystem nicht die erforderliche Integrationsleistung vollbringt, oder weil bestimmte Zielgruppen aufgrund der Schwere ihrer Behinderung andere Förder- oder Teilhabeerfordernisse haben. Werkstätten bieten eine wertvolle Möglichkeit zur Weiterentwicklung für Menschen, denen sich am ersten Arbeitsmarkt zumindest unter den aktuellen Rahmenbedingungen keine Perspektive bietet.

Werkstätten müssen sich jedoch auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereiten, indem sie einerseits Maßnahmen zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit und der Organisationsentwicklung umsetzen und andererseits ihre Angebotspalette breiter und attraktiver gestalten. Ebenso wichtig ist, nicht nur die potenziellen Risiken zu berücksichtigen, sondern auch die Chancen, die sich aus der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsmarktes ergeben können, zu nutzen.

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  1. Substituierbarkeitspotenziale von Berufen: Wenige Berufsbilder halten mit der Digitalisierung Schritt (iab.de); wsi_gdp_tr-subpotenzial-02.pdf ↩︎
  2. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-2/krankenstand.html; 2. Oktober 2024; 09:30 Uhr ↩︎
  3. Organisationsgrad der BAG WfbM lag am 01.05.2023 bei 93% ↩︎
  4. https://www.bagwfbm.de/category/34 ↩︎
  5. Ebd.; eigene Berechnungen ↩︎
  6. Vgl. hierzu Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes (BVaDiG), Gesetz vom 19.07.2024 – BGBl. I 2024, Nr. 246 vom 23.07.2024 ↩︎
  7. Aktionsplan zur Förderung von Übergängen aus Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt;
    https://www.53grad-nord.com/fileadmin/public/bildmaterial/klarer-kurs/2024/4/240326_BMAS_Aktionsplan_UEbergaenge_Werkstaetten_inklusiven_Arbeitsmarkt.pdf ↩︎
  8. Treibhausgasneutralität ↩︎