BTHG – war da was?
Mittlerweile liegt die Verabschiedung der 1. Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes schon mehr als 8 Jahre und die der 3. Reformstufe immerhin auch schon 4 Jahre zurück.
Nach der anfänglichen Aufregung und zahlreichen Befürchtungen scheint es relativ ruhig geworden zu sein um das BTHG. In den meisten Bundesländern sind immer noch nicht alle Neuregelungen konsentiert, geschweige denn umgesetzt (insbesondere soweit es die eigentliche Fachleistung betrifft) und in Sachsen-Anhalt ist der LRV sogar schon wieder einseitig durch den Leistungsträger zum 31.12.2024 gekündigt worden. Also: BTHG – war da was?
Mehr Personenzentrierung ohne zusätzliche Mittel?
Mit dem BTHG wurden seitens des Gesetzgebers (auch vor dem Hintergrund der UN BRK) zwei zentrale Ziele verknüpft: erstens sollte Menschen mit Behinderung „eine möglichst volle und wirksame Teilhabe in allen Bereichen und eine selbstbestimmte Lebensführung“ ermöglicht werden (s. Umsetzungsbegleitung BTHG, Einleitung, https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/) und zweitens sollte eine Begrenzung der Ausgabendynamik erreicht werden. Im Kern geht es bei den Auseinandersetzungen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern letztlich immer um die Frage: Kann man die fachlichen Ziele (Personenzentrierung, mehr Teilhabe etc.) des BTHG zum gleichen Preis haben, wie bisher? Und: Stimmt die Annahme, dass mehr Personenzentrierung zu einer bedarfsgerechteren Leistungsmenge im Einzelfall führt (weniger Über-/Unterversorgung) und deshalb im Rahmen einer budgetneutralen Umstellung der Finanzierung die vorhandenen Mittel nur anders verteilt werden?
Personenzentrierung erhält über die neuen Bedarfserhebungsinstrumente aktuell in vielen Bundesländern flächendeckend Einzug in die Praxis und so mancher Leistungserbringer wundert sich, was mit den gegebenen Mitteln alles erreicht werden soll (und die Zielerreichung unterliegt der Wirkungskontrolle!). Blickt man auf die aktuelle Wirtschaftsplanung vieler Organisationen der Eingliederungshilfe, so finden sich selbst bei traditionell gut aufgestellten Leistungserbringern erstmals auch geplante negative Betriebsergebnisse – vor allem dort, wo die besonderen Wohnformen eine große Rolle im Portfolio spielen. Das liegt nicht nur an der aktuellen Finanzierungssystematik – sinkende Fallzahlen (vgl. hierzu die Statistiken der BAGüS), Personalmangel, hohe Tarifabschlüsse und vieles mehr spielen hier ebenfalls eine Rolle. Aber es zeichnet sich vielfach doch ab, dass die bisherigen internen Strukturen, Prozesse und Mechanismen der Personalsteuerung an Grenzen stoßen. Zudem: Nimmt man Leistungsberechtigte ernst bei der Frage, welche Ziele und Wünsche sie haben und welche Art der Unterstützung sie sich bei der Zielerreichung vorstellen, dürfte schnell deutlich werden, dass viele dieser Wünsche in den vorhandenen Angebotsstrukturen nicht ohne Weiteres erfüllt werden können.
Transformationsbedarf und Transformationsaufgaben
Insofern stellt sich die Frage: Sind die Unternehmen der Eingliederungshilfe diesbezüglich bereits gut aufgestellt? Am Markt finden sich unserer Erfahrung nach – wie so häufig – zwei Gruppen: (1.) die Innovatoren und Early Adopters, die sich schon auf dem Weg befinden und bereits viel in die Anpassungen an die neuen Spielregeln und Strukturen investiert haben. Und diese neuen Spielregeln und Strukturen sind in den Grundzügen letztlich bereits jetzt klar erkennbar. Daneben finden sich Organisationen, die der (2.) Gruppe, der Early und Late Majority zugerechnet werden können. Diese warten zunächst einmal ab, bis sich die neuen Strukturen etabliert haben, hier überwiegt die Skepsis und Unsicherheit. Hier setzt man weniger auf Pioniergewinne wie die Innovatoren und Early Adopters, sondern wartet darauf, dass sich bestimmte Konzepte und Verfahren am Markt bewähren, die man dann kopieren kann.
Im Rahmen unserer Projekte mit Innovatoren und Early Adopters wurde deutlich: Die BTHG-Transformation ist keine Angelegenheit, die ausschließlich die Pädagogik betrifft; gefordert ist vielmehr die gesamte Organisation der Leistungserbringung. Insofern ist dieser Transformationsprozess vor allem auch „Chefsache“! Will man sich dem ambitionierten Ziel, eine “volle und wirksame Teilhabe in allen Bereichen und eine selbstbestimmte Lebensführung” zu erreichen nähern (zumindest, soweit das in den gegebenen Rahmenbedingungen möglich ist), muss sich die Unternehmensleitung mit grundlegenden Fragen beschäftigen.
Strategisch und unternehmerisch sind unter anderem folgende Fragen zu klären:
- Wie kann personelle und methodische Flexibilität hergestellt werden, um vielfältige Unterstützungswünsche decken zu können?
- Wie können Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung trägerintern effizient organisiert werden?
- Wie wird der Personalbedarf für die Aufgabe der Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung ermittelt, organisatorisch umgesetzt und refinanziert?
- Wie kann die neue Finanzierungssystematik im Rechnungswesen und im Controlling abgebildet werden, wie muss die bestehende Kostenstellenrechnung angepasst, muss ggf. eine Kostenträgerrechnung aufgebaut werden?
- Welche Controllinginstrumente sind fachlich erforderlich, um eine gute Zielerreichung und eine bedarfsgerechte Angebotsentwicklung gewährleisten zu können?
- Wie wird eine fundierte Auslastungssteuerung gewährleistet bzw. wie werden die Mitarbeitenden, die die Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung durchführen, befähigt, eine Balance zwischen den Wünschen der Klienten und wirtschaftlichen Interessen des Leistungserbringers herzustellen?
- Welchen Handlungsspielraum sollen die professionellen Unterstützer*innen für einzelfallbezogene trägerübergreifende Kooperation im Sozialraum haben, um Klientenwünsche zu erfüllen?
- Inwieweit muss das Personal zu einer personenzentrierten, sozialraumorientierten und Teilhabe fördernden Arbeitsweise befähigt werden?
- Wie kann die trägerintern angewandte Betreuungsdokumentation mit dem eingeführten Bedarfsermittlungsinstrument kompatibel gemacht werden?
- Ist eine ganzheitliche Fallkoordination von Wohn- und Arbeitsbereichen im Sinne der Personenzentrierung sinnvoll oder sogar notwendig?
- Komplexanbieter: Wie können hauswirtschaftliche und haustechnische Dienstleistungen stärker in die Unterstützungssettings eingebunden werden, um pädagogische Kräfte zu entlasten und mehr qualifizierte Assistenz zu ermöglichen?
- Ist es sinnvoll, das Immobilienmanagement zu optimieren oder anders aufzustellen, um mehr Flexibilität in der Angebotsentwicklung und Leistungserbringung zu erhalten?
- etc.
Die BTHG-Transformation tangiert somit ein breites Spektrum von Unternehmensbereichen. Personal und Personalentwicklung, Organisation, Steuerung und Führung, Finanzierung und Controlling, trägerübergreifende Kooperation, IT und Immobilien-/Facilitymanagement sind nur die wichtigsten.
Unser Leistungsspektrum zum BTHG finden Sie hier.
Wenn Sie Fragen haben und sich derzeit mit Ihrer Organisation auf den Weg der BTHG-Transformation begeben möchten, sprechen Sie gerne unsere Expert*innen an:
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