Green Skills für die Sozialwirtschaft
Interessiert sich noch jemand für Nachhaltigkeit?
Aktuell werden überall die Stellschrauben in Richtung Abbau der Regularien gelockert. Nachhaltigkeitsmanagement steht mittlerweile unter dem Generalverdacht Bürokratiekosten zu produzieren und wertvolle Personalressourcen zu verschwenden. Aber: der Klimawandel hört nicht auf, weil wir gerade Probleme mit Koalitionen, Zöllen und internationalen Konflikten haben. Wenn alles in Richtung Deregulierung geht, gewinnen das Mindset und die Kompetenzen der Leitungseben im Hinblick auf Nachhaltigkeit – auch in der Sozialwirtschaft – an Bedeutung. Insofern sehr hilfreich, dass unsere Beraterin, Frau Mónica Cebrián, im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit zum Erwerb des Mastertitels im Fach Sozialmanagement die Bedeutung von Green Skills in der Sozialwirtschaft untersucht hat. Dafür befragte sie Geschäftsführer*innen sozialer Organisationen und gewann wertvolle Erkenntnisse, die sich wie folgt zusammenfassen lassen.
Ergänzend erläutert Maximilian Bergdolt, Spezialist für Nachhaltigkeit, wie die xit soziale Organisationen gezielt dabei unterstützt, Green Skills zu entwickeln und nachhaltig in ihre Prozesse zu integrieren.
Die nachhaltige Transformation der Wirtschaft wird die Arbeitswelt verändern
Die Transformation hin zu einer „grünen“ Wirtschaft wird zwangsläufig die Anforderungen an Fähigkeiten und die Art der Tätigkeiten vieler bestehender Berufe verändern. Die neuen ökonomischen Aktivitäten werden die Entstehung neuer Berufsfelder mit sich bringen, wodurch Bedarf an neuen Kompetenzprofilen, Qualifikationen und Ausbildungskonzepten entsteht. Gleichzeitig werden bestehende Berufe und Branchen eine „Vergrünung“ ihrer Tätigkeiten erfahren, was Anpassungen an den gegenwärtigen Ausbildungs- und Qualifizierungsrahmen erfordert.
In diesem Zusammenhang gewinnen sogenannte „Green Skills“, also grüne Kompetenzen, zunehmend an Bedeutung. Green Skills umfassen ein breites Spektrum an Fähigkeiten, Wissen und Einstellungen, die für eine ressourcenschonende und nachhaltige Gesellschaft notwendig sind. Neben fachlichem Wissen zählen hierzu auch „Soft Skills“, soziale Kompetenzen und eine auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtete Wertehaltung.
Die Entwicklung und Förderung dieser Green Skills ist für die Zukunft des Arbeitsmarktes von zentraler Bedeutung, auch wenn die Forschung dazu noch am Anfang steht. Dies liegt daran, dass Green Skills eng mit den sich wandelnden Anforderungen der Wirtschaft verbunden sind. Da der Arbeitsmarkt im Bereich der Nachhaltigkeit dynamisch wächst, sind klare Definitionen und standardisierte Ausbildungswege für Green Skills bisher schwer zu etablieren. Unternehmen und Bildungseinrichtungen stehen daher vor der Herausforderung, Programme und Schulungen zu entwickeln, die den Anforderungen einer nachhaltigen Wirtschaft gerecht werden.
Green Skills als Mischung aus fachlichem Wissen und Soft Skills
Mehrere Forschungsinstitute und Stiftungen haben bereits zu Green Skills und Future Skills geforscht und verschiedene Auflistungen dazu veröffentlicht. Die Analyse dieser unterschiedlichen Ansätze zeigt deutliche Gemeinsamkeiten.
Die Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Eine nachhaltige Zukunft kann nur gelingen, wenn alle Beschäftigten eine entsprechende Denkweise entwickeln und aktiv an diesem Wandel mitwirken. Besonders die interdisziplinäre Zusammenarbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wenn Mitarbeitende mit unterschiedlichen Kenntnissen und Fähigkeiten kooperieren, entstehen Synergien, die es ermöglichen, komplexe Probleme gemeinsam zu lösen und gemeinsame Ziele zu erreichen.
Dafür ist die kontinuierliche Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen essenziell. Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Wertschätzung und interkulturelle Kompetenz tragen dazu bei, ein erfolgreiches Miteinander und ein harmonisches Arbeitsumfeld zu gewährleisten. Gleichzeitig sind transferierbare Kompetenzen, die in verschiedenen Bereichen anwendbar sind, von großer Bedeutung. Ein breites Kompetenzspektrum bildet die Grundlage für die erfolgreiche Bewältigung komplexer Herausforderungen. Dazu gehören beispielsweise Problem Framing und analytisches Denken, die besonders für die Entwicklung grüner Technologien oder Nachhaltigkeitsstrategien relevant sind.
Innovative Lösungen entstehen durch Kreativität und Innovationskraft – zentrale Fähigkeiten, die auch bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gefragt sind. Ebenso spielen Projekt- und Qualitätsmanagement eine entscheidende Rolle, da Nachhaltigkeitsprojekte oft bereichsübergreifend und hochkomplex sind. Hier sind effektives Management und ausgeprägte Kommunikationskompetenzen erforderlich.
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die Bereitschaft, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Resilienz und Anpassungsfähigkeit sind dabei essenziell, denn oft gibt es keine klaren, vorgezeichneten Wege zur Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen. Die Fähigkeit, auch unter Unsicherheit voranzuschreiten und Lösungen zu finden, ist daher unverzichtbar. Während Resilienz hilft, Rückschläge zu überwinden, ermöglicht Anpassungsfähigkeit eine flexible Reaktion auf neue Herausforderungen und die Entwicklung innovativer Lösungsansätze – selbst wenn der genaue Weg zum Ziel noch unklar ist.
Neben sozialen und kreativen Kompetenzen sind auch technisches und naturwissenschaftliches Wissen („Green Knowledge“) gefragt, um komplexe Zusammenhänge aus Chemie, Physik und Energietechnik zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Ebenso sind Kenntnisse in Controlling, Projektmanagement und Organisationsentwicklung entscheidend, um nachhaltige Maßnahmen effizient zu planen, umzusetzen und zu überwachen.
Sechsphasigen Ansatz für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien in sozialen Einrichtungen
Wie sich soziale Einrichtungen konkret zu sozial-grünen Einrichtungen weiterentwickeln können, veranschaulicht die folgende Abbildung.
Sie zeigt einen sechsphasigen Ansatz, der als Leitfaden für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien dient. Dieser wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit von Mónica Cebrián zur Erlangung des Masterabschlusses in Sozialmanagement entwickelt und bietet sozialen Einrichtungen praxisorientierte Empfehlungen, um den Weg zur nachhaltigen Transformation gezielt und effektiv zu gestalten.

Schaffung von Grundlagen
Der erste Schritt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit erfordert fundiertes Fachwissen über Gesetze, technische und wissenschaftliche Grundlagen. Dieses Wissen ist essenziell, um eine zuvor durchgeführte Datenerhebung zu analysieren und eine datenbasierte Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Fachkenntnisse können durch Fachliteratur, Netzwerke, Seminare oder Weiterbildungen erworben werden.
Für größere oder mittelgroße Einrichtungen (gemäß §267 HGB), insbesondere wenn sie Immobilien besitzen, empfiehlt es sich, zusätzliche Stellen zu schaffen oder externe Beratungsunternehmen hinzuzuziehen. Themen wie die Energieeffizienz von Gebäuden sind oft so komplex, dass eine einzelne Person ohne fundierten fachlichen Hintergrund diese nicht allein neben ihren regulären Aufgaben umfassend erarbeiten kann.
Dennoch ist es ratsam, zunächst eine heterogen zusammengesetzte Arbeitsgruppe zu bilden. Diese sollte neben der Geschäftsführung und – sofern vorhanden – de*r Nachhaltigkeitsreferent*in auch engagierte Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen wie Technik, Verwaltung oder Pädagogik umfassen. Eine vielfältige Zusammensetzung ermöglicht es, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und fördert gleichzeitig die unternehmensweite Akzeptanz der Nachhaltigkeitsstrategie.
Als Einstieg in den Prozess der Nachhaltigkeit kann es vorteilhaft sein sich als Projektgruppe erst einmal übergreifend mit dem Thema zu Beschäftigen. Hierbei kann das Instrument der Perspektivanalyse oder ein entsprechendes Serious Game genutzt werden, um Stärken und Schwächen der eigenen Organisation zu diskutieren und erste Nachhaltigkeitspotenziale zu identifizieren.
Mehr zu dem Thema: Nachhaltigkeit
Entwicklung eines Konzeptes
Die zweite Phase des Projekts konzentriert sich auf die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die auf den in der ersten Phase erarbeiteten Grundlagen basiert. Neben fundierten Kenntnissen im Bereich Nachhaltigkeit sind hierfür auch Managementkompetenzen erforderlich, um Strategien zu entwerfen sowie Projekte und Veränderungsprozesse effektiv zu steuern. Zusätzlich sind analytische Fähigkeiten, Kreativität, eine „Out-of-the-Box“-Mentalität und die Pflege von Netzwerken von großer Bedeutung. Diese Fähigkeiten ermöglichen es nicht nur, eigene kreative Ideen zu entwickeln, sondern auch, sich von den Ideen und Projekten anderer Institutionen inspirieren zu lassen. In Anlehnung an die erste Phase kann, je nach Unternehmensgröße, eine interne Lösung in Betracht gezogen werden. Externe Beratungsfirmen oder eine Verstärkung des Teams durch Nachhaltigkeitsreferent*innen können jedoch die Geschäftsführung oder den Vorstand bei der Entwicklung einer nachhaltigen Strategie unterstützen.
Eine Nachhaltigkeitsstrategie sollte auf nachvollziehbaren und evidenzbasierten Annahmen beruhen. Dies schafft nicht nur Transparenz in der Prozessgestaltung, sondern auch Akzeptanz bei den relevanten Stakeholdern. Das Instrument der Wesentlichkeitsanalyse hat sich hierbei in der Praxis – spätestens im Zuge der CSRD-Berichterstattung – zum etablierten Standard entwickelt. Auf Basis der Ergebnisse können die Fokusthemen der Nachhaltigkeitsstrategie erschlossen und entsprechende Maßnahmen ausgearbeitet werden.
Mehr zu dem Thema: Wesentlichkeitsanalyse für die Sozialwirtschaft
Klärung der Finanzierungsfrage
Um den besonderen Herausforderungen der Sozialwirtschaft gerecht zu werden, ist es entscheidend, auch den Finanzierungsaspekt von Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu berücksichtigen. Neben den klassischen Verhandlungen, wie sie beispielsweise Altenheime jährlich mit den Pflegekassen führen, um die Pflegesätze festzulegen, besteht die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsmaßnahmen zumindest teilweise in die Pflegesätze zu integrieren. Diese Verhandlungen könnten genutzt werden, um nachhaltige Initiativen zu berücksichtigen und deren Finanzierung zumindest teilweise abzubilden. Darüber hinaus gibt es weitere Finanzierungsmöglichkeiten für solche Maßnahmen, wie eine Reihe von Förderprojekten, die gezielt zur Unterstützung nachhaltiger Initiativen beantragt werden können. Dabei ist es nicht nur wichtig, die verschiedenen Förderoptionen zu kennen, sondern auch die Details des Antragsverfahrens zu verstehen. Nach der Bewilligung müssen die bereitgestellten Mittel kontrolliert und die damit verbundenen Kriterien eingehalten werden. Dies umfasst die Erstellung von Verwendungsnachweisen, die gegebenenfalls durch externe Wirtschaftsprüfer*innen geprüft werden müssen. Diese Anforderungen erfordern spezifisches Fachwissen, das je nach Größe der Einrichtung durch verschiedene Wege abgedeckt werden kann: über den eigenen Wohlfahrtsverband im Rahmen einer Mitgliedschaft, durch die Beauftragung spezialisierter externer Beratungsunternehmen oder durch die Schaffung einer Stelle für Fördermittelmanagement. Alternativ können klassische Kredite beantragt werden, für deren Beantragung in der Regel finanzielle Kenntnisse erforderlich sind – eine Kompetenz, die in vielen Einrichtungen bereits vorhanden sein dürfte.
Mehr zu dem Thema: Finanzierung von Sozialen Organisationen
Schaffung von Akzeptanz
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Sicherstellung der Akzeptanz innerhalb der Belegschaft. Eine breite Unterstützung ist unerlässlich, um Widerstände zu minimieren und den Erfolg der Maßnahmen langfristig zu sichern. Dies umfasst sowohl die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur als auch die Förderung von Transparenz und Offenheit. Insbesondere bedeutet dies, dass geplante Maßnahmen und die damit verbundenen Veränderungen klar und nachvollziehbar kommuniziert werden müssen. Es ist wichtig, die Belegschaft frühzeitig und kontinuierlich über die Ziele, Gründe und den erwarteten Nutzen der Nachhaltigkeitsinitiativen zu informieren. Ebenso müssen mögliche Bedenken und Fragen der Mitarbeitenden empathisch angehört und berücksichtigt werden. Eine offene Kommunikation, in der die Mitarbeitenden das Gefühl haben, gehört zu werden, ist entscheidend. Darüber hinaus ist die Fähigkeit des Managements, die Mitarbeitenden auf diesem Veränderungsprozess mitzunehmen und sie aktiv einzubinden, von großer Bedeutung. Das Management muss Vertrauen aufbauen und sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden sich in den Prozess integriert fühlen. Da die Einbindung der relevanten Stakeholder (und damit auch der Belegschaft) fester Bestandteil der Wesentlichkeitsanalyse ist stellt dieser Aspekt ein weiteres Argument zur Nutzung dieses Instrumentes dar. Auch kann externe Unterstützung in Anspruch genommen werden, um die Führungskompetenzen der relevanten Personen weiterzuentwickeln und den transformationalen Prozess nachhaltig zu fördern.
Mehr zu dem Thema: Wesentlichkeitsanalyse für die Sozialwirtschaft
Letze Schritte: Umsetzung und Evaluation
Bei der Umsetzung und Evaluation von Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind insbesondere Projektmanagement Kenntnisse erforderlich, um die verschiedenen Phasen der Umsetzung zu steuern und die Ergebnisse effektiv zu analysieren. Dies umfasst die Identifikation von Verbesserungspotenzialen und die Integration dieser Erkenntnisse in den laufenden Prozess. Je nach Größe der Einrichtung kann es sinnvoll sein, zusätzliches Personal hinzuzuziehen, das als Projektmanager*in fungiert, wie zum Beispiel eine Nachhaltigkeitsreferent*in. Alternativ kann auch die Unterstützung durch eine externe Beratungsfirma in Betracht gezogen werden, die nicht nur den Prozess begleitet, sondern auch eine wertvolle externe Perspektive bietet – besonders bei der Identifikation von Verbesserungspotenzialen. Diese externe Expertise kann helfen, den Prozess objektiv zu bewerten und innovative Lösungen zu entwickeln, die intern möglicherweise übersehen werden.
Mehr zu dem Thema: Umsetzungsbegleitung