Wesentlichkeitsanalyse in der Sozialwirtschaft – Ein Bericht aus der Praxis
Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein zentraler Bestandteil und Voraussetzung einer erfolgreichen und aussagekräftigen CSRD-Berichterstattung. Diese Analyse hilft, jene Inhalte der EU-Norm (ESRS) zu identifizieren, die speziell für das Unternehmen relevant bzw. wesentlich und daher auch berichtspflichtig sind. Doch wie gelingt eine solche Analyse für die Sozialwirtschaft? Die xit durfte das HPZ Krefeld bei der Erstellung Ihrer Wesentlichkeitsanalyse begleiten und beraten. Nachfolgend wollen wir den Projektablauf skizzieren und wichtige Praxistipps für die erfolgreiche Analyse teilen.
Schritt 1: Vorbereitungsphase und Aufbau des Projektteams
Ein wichtiger Schritt innerhalb des Projektes war eine Abstimmung eines Projektzeitplanes und der Aufbau eines Projektteams. Insbesondere der letzte Punkt war hierbei rückblickend von besonderer Bedeutung. Das HPZ Krefeld entschied sich für ein schlankes Projektteam, welches aus der Geschäftsführung, dem Marketing und den Geschäftsleitungen aus dem kaufmännischen Bereich, sowie Produktion und Technik bestand. Dieser Aufbau stattete das Projektteam mit der nötigen Entscheidungskompetenz, sowie dem Organisationswissen und dem Fachwissen aus, um das Projekt erfolgreich zu gestalten, während es weiterhin schnelle Entscheidungsfindungen und zielführende Diskussionen ermöglichte.
Aus unserer Sicht empfiehlt es sich bei der Zusammenstellung eine Projektgruppe die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
- Klasse Statt Masse: große Projektgruppen entschläunigen den Prozess. Wir empfehlen Kernteams von maximal 7 Personen.
- Denken Sie organisationsübergreifend und beziehen Sie verchiedene Abteilungen und Hirarchieebenen in den Prozess ein.
- Bündeln Sie Kompetenz und Wissen innerhalb Ihrer Projektgruppe. Die folgenden Kompetenzen sollten enthalten sein:
- Organisationstalent
- Zahlenaffinität und Zugang zu den Controllingsystemen
- Organisationswissen
- Interesse an Nachhaltigkeit
- Lösungsorientierung
- Kommunikationsfähigkeit
Schritt 2: Die Stakeholder- und Relevanzanalyse
Der Prozess der Wesentlichkeitsanalyse schreibt auch die Einbindung von relevanten Stakeholder vor. In einem ersten Workshop wurde deshalb eine Stakeholderanalyse durchgeführt. Relevante Stakeholder für das HPZ Krefeld wurden identifiziert und Wege der Befragung wurden abgewägt. Ebenso wurde eine erste Einschätzung zu den relevanten ESRS-Themen abgegeben. Die Themen wurden hinsichtlich ihrer Relevanz für die Organisation bewertet. Hierbei konnten einige Themen vom weiteren Prozess ausgeschlossen werden, da sie für das HPZ Krefeld offensichtlich keine Relevanz besaßen bzw. die Organisation keinerlei Einfluss auf jene Nachhaltigkeitsthemen hat. Zu diesen Themen gehörten unter anderem: „Rechte von indigenen Völkern“ und „Tierschutz“.
Unser Praxistipp: Haben Sie Mut – Nr 1!
Mut zum Ausschluss! Sie dürfen nicht relevante Themen mit einer kurzen Begründung ausschließen. Verzetteln sie sich nicht in der Vielzahl der Themen, schließen Sie direkt am Anfang Themen aus, zu denen Sie keine Berührungspnukte haben.
Schritt 3: Befragung der Stakeholder
Die identifizierten Stakeholder wurden um ihre Relevanzeinschätzung der verbliebenen ESRS-Themen gebeten. Dieser Prozess bedurfte im Kontext der Stakeholder der Sozialwirtschaft besonderer Aufmerksamkeit. Zum einen musste entschieden werden, zu welchen Themen die verschiedenen Stakeholder befragt werden sollten. So standen für Mitarbeiter:innen z.B. soziale Themen im Mittelpunkt, während wirtschaftliche Kunden insbesondere zu den Themen Lieferkette und Governance befragt wurden. Ebenso mussten passende Formate zur Befragung initiiert werden. Mitarbeitende der Werkstatt wurden stellvertretend durch den Werkstattrat im Rahmen eines gemeinsamen Workshops eingebunden, während anderen Stakeholdern die Teilnahme an einer Online-Befraggung angeboten wurde.
Erkentnisse aus dieser Phase waren unter anderem, dass alle Stakeholder die Initiative zur Nachhaltigkeit des HPZ Krefelds als positiv bewertet haben. Ebenso stimmten die Relevanzbewertung häufig mit jenen aus der Projektgruppe überein.
Unser Praxistipp: Haben Sie Mut – Nr 2!
Mut zu Fragen! Trauen Sie sich die Stakeholder einzubeziehen. Sie sind interessiert und dankbar mitwirken zu dürfen. Wichtig ist jedoch eine gewisse Flexibilität bei der Methode des Einbezugs der Stakeholder (z.B. Onlinebefragung, Workshop).
Schritt 4: Bewertung der Materialitäten
Auf Basis der eigenen Bewertung der Relevanz, sowie der Meinung des Stakeholder wurden weitere ESRS-Themen von der Bewertung ausgeschlossen. Die verbleibenden Themen (ca. 40 Sub-Sub-themen) wurden anschließend durch die Projektgruppe nach dem Maßstab der Doppelten Wesentlichkeitsanalyse bewertet. Hierbei wurden sowohl finanzielle Risiken und Chancen für die Organisation (Outside-In) als auch wesentliche Auswirkungen durch den Geschäftsbetrieb der Organisation auf die Umwelt und Gesellscahft (Inside-Out) bewertet.
Themen, welche in beiden oder in einem der Bereich als relevant eingeschätzt wurden, müssen am Ende des Prozesses auch in die Berichterstattung aufgenommen werden.
Das Projektteam wurde für diesen Schritt in Fokus-Gruppen aufgeteilt. Die Geschäftsführung und das Marketing beschäftigten sich hierbei mit den Governance-Themen, während die kaufmännische Leitung (unterstützt durch die Personalreferent:innen) mit den Sozialen Themen und der Leiter der Produktion die ökologischen Themen bearbeitete.
Unser Praxistipp: Arbeitsteilung und Vertrauen
Nicht alle Themen müssen im Detail von allen Beteiligten der Projektgruppe bedacht werden. Eine Arbeitsteilung nach Kompetenzfeldern ist sinnvoll und spart Zeit. Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Expert:innen, die passenden Einschätzungen und Begründungen vornehmen.
Schritt 5: Abschluss des Projektes
Die Bewertungen der Fokus-Gruppen wurden in einem gemeinsamen Abschluss-Workshop abgestimmt. Die finale Wesentlichkeitsmatrix zeigte hierbei relevante Berichtsinhalte an.
Auf Basis der wesentlichen Themen startete das HPZ Krefeld Anfang 2025 mit der Berichtserstellung.
Unser Praxistipp: Feiern und Dokumentation
Feiern Sie Ihr Ergebnis! Sie haben einen wichtigen Schritt in die Nachhaltigkeit getan. Gleichzeitig denken Sie an die zukünftigen Arbeitsschritte und dokumentieren Sie Ihr Vorgehen in der Wesentlichkeitsanalyse und halten Sie positive wie negative Erfahrungen sowie Wissen fest.
Wir gratulieren dem HPZ zum ersten Schritt auf dem Weg zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und freuen uns auf den weiteren Projektverlauf!