„Was ich dir sagen will, fällt mir so schwer …“

Gestaltung der Außen- und Innenpolitik sozialer Unternehmen durch strategisches Stakeholdermanagement¹
von Britta Wagner

In aktuellen Ansätzen zur Wirkungsmessung lauere eine Gefahr, so war es in der vorletzten Ausgabe dieser Zeitschrift zu lesen: Die Gefahr, sich erstens zu stark nur auf die individuellen Ziele der Leistungsempfänger zu fokussieren, zweitens strukturqualitative Aspekte zu vernachlässigen (beide vgl. Boecker) und drittens der Freien Wohlfahrtspflege mehr und mehr die Rolle des reinen Dienstleistungserbringers zuzuweisen (vgl. Boecker und auch Timm/Friedrich).
Ob die genannten Funktionen der Freien Wohlfahrtspflege derartig gegeneinander ausgespielt werden, ist keine Frage der Wirkungsmessung, sondern vielmehr eine Frage der Ziele, die soziale Unternehmen mit ihrer Kommunikation verbinden und mit welchem Selbstverständnis sie diese umsetzen. Sie agieren per se immer auch politisch, wenn man Politik als „die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen“² versteht. Es liegt also auch in der Hand der Freien Wohlfahrtspflege, wie sehr sie sich in die Rolle als Dienstleistungserbringer drängen lässt oder stattdessen anwaltschaftlich sozialpolitisch aktiv wird. Dazu braucht es allerdings ein strategisches Stakeholdermanagement und politisch motivierte Kommunikation.

„Wir brauchen nicht nachhaltig zu sein, wir sind ja schon sozial.“

Nun könnte man meinen, hier regiere das Motto „wir brauchen nicht nachhaltig zu sein, wir sind ja schon sozial” und soziale Unternehmen ließen diesen Kelch getrost an sich vorbei ziehen. Doch so ist es keineswegs. Sie gehen nur einen Schritt nach dem anderen. Während Profit-Organisationen im wirtschaftlichen Geschäftsbericht bereits ihren primären Unternehmenszweck hinreichend darstellen, wäre in der Sozialwirtschaft damit zu kurz gegriffen. Die Rolle des Geschäftsberichts, welcher die monetären und nichtmonetären Effekte der sozialen Dienstleistung transparent macht, übernimmt hier die Sozialbilanz, beispielsweise in Form einer Analyse des Social Return on Investment (SROI).

Der SROI ist in erster Linie ein Kommunikationsinstrument. Zwar lassen sich die klientenbezogenen Wirkungen darüber hinaus auch im Sinne eines wirkungsorientierten Controllings verwenden, doch ist der Ansatz auf eine stakeholderorientierte Kommunikation angelegt. Seit einigen Jahren begleiten wir die Projektpartner bei der Verwertung ihrer monetären und nichtmonetären SROI-Ergebnisse. Gemeinsam bestritten wir Fachvorträge, Vorträge bei Mitarbeiterversammlungen, Pressekonferenzen, erstellten Info-Material für Werkstattbeschäftigte als Comic, gestalteten Flyer und aufwändige Infografiken, einen parlamentarischen Abend und ein parlamentarisches Frühstück, diskutierten vor Ort mit Kostenträgern, Bürgermeistern, Kämmerern, Fachausschüssen, Landräten, Staatssekretären, Ministern sowie Bundes- und Landtagsabgeordneten. Die häufig formulierte Erkenntnis hat ein Kämmerer auf den Punkt gebracht: „Ach, Ihr könnt ja auch rechnen!“.

Wirkung, Transparenz und Nachhaltigkeit

Vermehrt nehmen wir wahr, dass soziale Unternehmen nicht nur darüber berichten möchten, welche Wirkungen durch ihre Arbeit entstehen, sondern auch wie das geschieht. Am verbreitetsten ist, über die Einhaltung von selbst auferlegten Verpflichtungen und Kodizes zu berichten, die Compliance und Transparenz (im Sinne Antikorruption) beleuchten und sich an die Zivilgesellschaft und Spender richten. In diese Gruppe gehört auch der Social Reporting Standard (SRS), ein Berichtsformat für Jahresberichte, das von der Social Reporting Initiative (SRI) explizit für Unternehmen aus der Sozialwirtschaft entwickelt wurde⁶. Der SRS beinhaltet ebenfalls Transparenzkriterien, im Aufbau konzentriert er sich allerdings auf das gesellschaftliche Problem, das die Organisation adressiert, ihren Lösungsansatz und schließlich die Wirkungen der durchgeführten Maßnahmen und Leistungen. Aber auch individuell ausgewählte und aus dem Bereich CSR und Nachhaltigkeitsberichterstattung inspirierte Themen werden häufiger ergänzend zum SROI-Wirkungsbericht nachgefragt.

Politische Verantwortung übernehmen durch Stakeholdermanagement

Eine Ansammlung von Informationen, die etwas über Wirkungen und Produktionsbedingungen aussagen, ist aber noch keine politische Kommunikation. Nicht jeder Stakeholder ist an jeder dieser Informationen interessiert und nicht jede Information ist gleichermaßen relevant für jedes politische Ziel der Organisation. Jedem alles unsortiert vor die Füße zu werfen, führt lediglich zu Irritation und Missverständnissen.

Was es braucht, ist strategisches Stakeholdermanagement.

  1. Dies beginnt damit, sich über die eigene Strategie klar zu werden: Was wollen wir für unsere Klienten und deren Angehörige, für unsere Angebotsstruktur, für unsere Mitarbeiter, für unseren Betrieb, für unser Gemeinwesen, für die Ausgestaltung gesetzlicher Regelungen oder auch nur lokaler Rahmenverträge erreichen?
  2. Im nächsten Schritt gilt es, die relevanten Stakeholder zu identifizieren und einzuordnen: Wer ist von unserer Maßnahme wie stark berührt? Wer ist dem Projekt positiv gesonnen, woher kommt Kritik? Wie groß ist jeweils ihr Einfluss auf die relevanten Rahmenbedingungen? Was erwarten die jeweiligen Stakeholder von dem Projekt/der Organisation? (Vergessen Sie nicht die Stakeholder innerhalb der Organisation!)
  3. Nun braucht es Botschaften: Was sind die Kernbotschaften aus den verschiedenen Elementen des Wirkungs-, Transparenz- oder Nachhaltigkeitsreportings? Und für wen ist welche Botschaft ein wichtiges Argument?
  4. Als nächstes müssen die Botschaften die Adressaten erreichen. Hierfür ist es wichtig in mehreren Ebenen und Zeitdimensionen zu denken und den passendsten Weg zu wählen. In manchen Fällen ist es die persönliche Netzwerkarbeit. In anderen braucht es systematisch und rechtzeitig vorbereitete Gremienarbeit mit einem langen Atem oder auch nur die richtige Gelegenheit einer öffentlichen Veranstaltung. In jedem Fall ist eine permanente Beobachtung der Stakeholderlandschaft das A und O, um an geeigneter Stelle und zum richtigen Zeitpunkt anwaltschaftlich und politisch kommunizieren zu können.

Soziale Dienstleister haben einen sozialen, also gesellschaftlichen Auftrag angenommen. Sie leben ihren Ansatz, wie sie zur gesellschaftlichen Problemlösung beitragen möchten und haben eine einzigartige Expertise hierfür erworben. Sie stehen damit auch in der Verantwortung, die Leistung nicht  nur zu erbringen, sondern auch darüber zu berichten und mit der Politik und der Gesellschaft im Sinne der Klienten ins Gespräch zu kommen. Damit das gelingt, hilft keine Kommunikation mit der Gießkanne – es braucht eine wohlüberlegte Stakeholderkommunikation, die zur Erreichung der Wirkungsziele Hand in Hand mit der sozialen Dienstleistung arbeitet.

Wenn Sie Fragen zum Artikel haben, wenden Sie sich gerne an Frau Dr. Britta Wagner.

 

1 Unter anderem Titel veröffentlicht in SOZIALwirtschaft 2/2017
2 Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 6., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2016. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. Online abrufbar unter http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18019/politik. Letzter Abruf am 25.11.2016.
3 Global Reporting Initative: Ihr Standard, die GRI-Leitlinien, ist weltweit am meisten verbreitet. (www.globalreporting.org)
4 Deutscher Nachhaltigkeitskodex des Rates für nachhaltige Entwicklung, knüpft u.a. an UN Global Compact und Global Reportin Initiative an:  (www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de)
5 Gemeinwohlbilanz: Bilanzierung ökologischer und sozialer Aspekte im Rahmen der Gemeinwohlökonomie  (www.ecogood.org)
6 Der SRS-Bericht 2015 des Heilpädagogischen Zentrums Krefeld-Viersen enthält bspw. ebenfalls monetäre und nichtmonetäre Ergebnisse einer SROI-Analyse und wurde von der SRI jüngst als „SRS Champ“ ausgezeichnet (www.social-reporting-standard.de, www.hpz-krefeld.de). Auch FEMOS hat SROI-Ergebnisse in den Jahresbericht 2014 nach dem SRS integriert (www.femos-zenit.de).

 

 

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