Simulationsstudie für BAG WfbM zeigt: Teilhabe am Arbeitsleben ist keine Kostenfrage
SROI-Methode zur Alternativkostenrechnung erhellt politische Diskussion zum Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf
Teilhabe am Arbeitsleben als Werkstattbeschäftigte/r erfahren zu können, ist Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf außerhalb von Nordrhein-Westfalen oft nicht möglich.
Laut Gesetz steht die Werkstatt allen Menschen mit Behinderung offen, aber nur „sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden“ (§136 Abs. 2 SGB IX).
Dagegen formuliert die UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. Art. 24 und 27) ausdrücklich das Recht behinderter Menschen auf Bildung und Arbeit und weist auf die staatlichen Verpflichtungen hin, dies zu gewährleisten.
Das Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf hinsichtlich der Teilhabe am Arbeitsleben ist daher immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Auch im Rahmen der Beratungen zum Bundesteilhabegesetz steht das Thema immer wieder im Fokus. Allerdings fehlten bislang wichtige Anhaltspunkte zu den finanziellen Auswirkungen einer konsequenten Umsetzung dieses Rechts. Das hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM) dazu bewogen, diese Auswirkungen durch die xit GmbH forschen. planen. beraten. genauer untersuchen zu lassen.
Wir konnten hierbei auf unsere Erfahrungen aus zahlreichen Studien zum Social Return on Investment (SROI) zurückgreifen. Die Methode der Alternativkostenbetrachtung (SROI 3: „Was wäre wenn…“) eignet sich nicht nur dafür, bereits existierende Alternativen modellhaft zu vergleichen. Vielmehr können mit Hilfe des Verfahrens auch die Auswirkungen von neuen rechtlichen Rahmenbedingungen simuliert werden, wie sie z.B. durch das BTHG gesetzt werden. Was den SROI-Ansatz hierbei so wertvoll macht, ist die Berücksichtigung von finanziellen Rückflüssen an die öffentliche Hand.
So konnten wir in dieser Studie die monetären Effekte für verschiedene Akteure der öffentlichen Hand und das Lebenseinkommen zweier Vergleichsbiografien eines Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf konstruieren:
Fall A – Ein Mensch mit hohem Unterstützungsbedarf (bzw. dessen Angehörige oder Betreuer) wählt nach Beendigung der Schulzeit die Leistungsform „Tagesförderstätte“ und bleibt bis zum Ende des 65. Lebensjahrs bei dieser Leistungsform.
Fall B – Ein Mensch mit hohem Unterstützungsbedarf (bzw. dessen Angehörige oder Betreuer) entscheidet sich nach Beendigung der Schule für die Teilnahme am Eingangsverfahren, für den Berufsbildungsbereich und schließlich für den Arbeitsbereich der WfbM. Er bleibt bei dieser Leistungsform bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs. Nach 20 Jahren Werkstattzugehörigkeit kombiniert er die Tätigkeit in der Werkstatt mit einer Erwerbsminderungsrente und tritt mit 65 Jahren in die Altersrente ein.
Es zeigten sich zwei wesentliche Ergebnisse:
Erstens liegt das Nettolebenseinkommen für den Beschäftigten im Falle einer Beschäftigung in der Werkstatt deutlich über dem in der Vergleichsbiografie. Dies kann als ein wesentlicher Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe interpretiert werden, der zusätzlich zu den nicht-monetären Wirkungen der Teilhabe am Arbeitsleben hinaus entsteht.
Zweitens entstehen für die öffentliche Hand als Ganzes für beide Alternativbiografien ähnlich hohe Nettokosten (bei Berücksichtigung der Rückflüsse). Mehraufwendungen eines Kostenträgers gleichen Einsparungen oder Rückflüsse an anderer Stelle wieder aus.
Die Ergebnisse der Studie hat die BAG WfbM im August 2016 in der Broschüre „Studie zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts verursacht keine Mehrkosten“ veröffentlicht.
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