Die Big Five bei der Durchführung von Entgeltverhandlung – Lessons Learned!

Aktuell hat die Sozialwirtschaft in vielerlei Hinsicht mit Herausforderungen zu kämpfen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind in der Sozialwirtschaft weiterhin spürbar und die Folgen des Ukraine-Kriegs steigende Inflation, Verteuerung der Energiepreise – führen zu einem erheblichen Kostendruck. Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich im Personalbereich: Nicht nur, dass es einigen Leistungserbringern z. T. kaum noch gelingt, ausreichend qualifiziertes Personal zu rekrutieren, in manchen Organisationen muss zudem das Prinzip „Tariftreue“ umgesetzt werden, was zu höheren Personalkosten führt.

Vor diesem Hintergrund rückt das Thema Entgeltverhandlungen in den Fokus. Damit diese Verhandlungen trotz der aktuell vorhandenen Herausforderungen maximale Ergebnisse liefern, sind 5 Punkte von besonderer Bedeutung, die wir Ihnen als hilfreiche Informationen im Folgenden an die Hand geben möchten. Es sind gewissermaßen die „Big Five der Entgeltverhandlung“, die sich aus unserer Praxis bei der Begleitung von Entgeltverhandlungen unserer Kunden als zentral erwiesen haben.

1. Das A und O: Frühzeitige Vorbereitung von Entgeltverhandlungen

Die Durchführung von Entgeltverhandlungen ist eine zentrale Aufgabe des Leistungserbringers, die jährlich auf der Agenda eines Sozialunternehmens steht und gerade jetzt intensiviert werden sollte. Mittels dieser Verhandlungen kann die Organisation prospektiv auf die sich stetig veränderten Rahmenbedingungen (z. B. Personal- und Sachkostensteigerungen, strukturelle oder ordnungsrechtliche Änderungen) reagieren. Dem Leistungserbringer stehen in der Regel zwei verschiedene Verhandlungsvarianten zur Verfügung, die er für einen Vereinbarungszeitraum wählen kann:

  1. Sofern sich an der zu erbringenden Leistung für den zukünftigen Vereinbarungszeitraum keine Änderungen gemäß der geschlossenen Leistungsvereinbarung ergeben, besteht die Möglichkeit, dass sich der Leistungserbringer gemeinsam mit dem Kostenträger auf eine pauschale prospektive Erhöhung des Entgelts verständigen.
  2. Werden für den zukünftigen Vereinbarungszeitraum jedoch konzeptionelle, ordnungsrechtliche oder strukturelle Veränderungen umgesetzt oder steigen bestimmte Sachkostenpositionen besonders stark an, sollte bzw. muss der Leistungserbringer den Weg der Ist-Verhandlungen bestreiten, statt pauschale Anhebungen zu verhandeln.

Die Voraussetzungen für die Verhandlungsstrategie sollten spätestens vier (besser sechs) Monate vor dem Ende der aktuellen Vereinbarungslaufzeit geprüft werden. Die Entscheidung für eine Ist-Verhandlung sollte dann fallen, wenn folgende Veränderungen im nächsten Vereinbarungszeitraum zutreffen:

  • Konzeptionelle Änderungen, die sich auf die zu erbringende Leistung personell auswirken.
  • Ordnungsrechtliche Vorgaben der Aufsichtsbehörden, die zu einer höheren Personalvorhaltung oder steigenden Kosten (bspw. im Bereich der Investitionskosten) führen.
  • Größere Veränderungen innerhalb des Personaltableaus die mit der standardmäßigen Personalkostenerhöhung nicht refinanziert werden können (bspw. viele Stufenaufstiege bei Mitarbeitenden, neues Personal).
  • Prospektive Steigerungen bei Sachkostenpositionen (bspw. Energie), die zu deutlichen Kostensteigerungen führen. In dieser Verhandlungsrunde besteht ein großes Risiko im Hinblick auf eine weiter zunehmende Preisdynamik, insbesondere im Bereich der Energiekosten. Die Preise steigen exorbitant an und es besteht große Unsicherheit bei den zu erwartenden Kosten. Eine Ist-Verhandlung zur Abfederung des Finanzierungsrisikos und zur Vereinbarung einer tragfähigen Lösung mit dem zuständigen Kostenträger ist aus unserer Sicht zwingend notwendig.

Die Erfahrung zeigt, dass eine frühzeitige Einreichung der Antragsunterlagen sinnvoll ist, um einen gewissen Vorlauf zu haben bzw. mögliche Änderungen oder Anpassungen noch vor der tatsächlichen Verhandlung zu klären bzw. zu beheben. Zugleich benötigen die Kostenträger zur Prüfung und Verhandlung der Entgeltanträge häufig deutlich länger und stationäre Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe haben durch das WBVG die Verpflichtung, die Bewohner*innen in einem Zeitraum von vier Wochen vor einer Entgelterhöhung über die neuen Entgelte zu informieren. Daher raten wir dazu, die Entgeltanträge drei Monate vor dem Ende der Vereinbarungslaufzeit bei den zuständigen Kostenträgern einzureichen.

2. Potentiale und Grenzen der Verdrahtung zweier Welten: Die Brücke schlagen zwischen Controlling und Entgeltverhandlungen 

Die Controlling-Systeme orientieren sich in der Regel eng an Strukturen innerhalb der eigenen Organisation: Die Gliederung des Berichtswesens bildet dabei minutiös einzelne Wohnbereiche, Standorte, Angebotsfelder oder Verantwortlichkeiten in der Linienorganisation ab. 

Im Sinne der Entgelte für diese einzelnen Organisationsteile ist die Blickrichtung meist alles andere als eindimensional – im Gegenteil: Personal-, Sach- und Investitionskosten werden in der Tat aus mehreren Finanzierungstöpfen refinanziert (vgl. hierzu für die Altenhilfe den Beitrag unseres Kollegen Johannes Pfahler hier). Gleichermaßen müssen die Kosten für einzelne Vollzeitkräfte und einzelne Sachkostenarten häufig über mehrere Ertragsquellen hinweg gesplittet werden.  

Eine neue Entgeltverhandlung beansprucht daher für die Organisation viele Personalressourcen: So müssen mit viel händischer Fleißarbeit und umfangreichen Kalkulationen die Zahlenwerke aus den beiden Welten „Controlling“ und „Finanzierung“ in Einklang gebracht werden, damit Entgeltverhandlungen zielführend aufgenommen und abgeschlossen werden können. 

Dieser jährlich anfallende Aufwand kann dadurch erheblich reduziert werden, indem die Finanzierungslogik dauerhaft im Controlling verankert wird und somit die Brücke zwischen den beiden Welten geschlagen ist und sowohl alle Potentiale und Grenzen in der Betrachtung berücksichtigt wurden.

3. Interdisziplinäres Team: Entscheidender Erfolgsfaktor in Entgeltverhandlungen

Sobald die Antragsunterlagen bei den zuständigen Kostenträgern eingereicht sind, beginnen die Vorbereitungen auf die anstehenden Verhandlungen. Die pauschalen Fortschreibungen der Entgelte erfordern keine größere Vorbereitung, da hier mögliche Konfliktpotentiale und Diskussionspunkte deutlich geringer sind. In Bezug auf Ist-Verhandlungen ist es ratsam, dass sich die Leistungserbringer breit aufstellen, um auf alle Aspekte gut vorbereitet zu sein. Hierzu raten wir, ein interdisziplinäres Team zu bilden, welches auf alle Fragen der Kostenträger adäquat reagieren kann. Aus unserer Sicht sieht die Besetzung des Teams wie folgt aus:

  • Vorstand/Geschäftsführer/Bereichsleitung
  • Mitarbeitende aus dem Controlling
  • Einrichtungsleitung und Mitarbeitende mit fachlicher Verantwortung.

Entgeltverhandlungen sind keine One-Man/Woman-Show, denn eine Person allein kann nicht auf alle betriebswirtschaftlichen und fachlichen Fragen einer Einrichtung eine Antwort geben. Die Bündelung aller wichtigen Informationen, die für die Entgeltverhandlungen relevant sind, durch ein interdisziplinäres Team wird die Verhandlung für alle Beteiligten vereinfachen und deutlich schneller zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen.

4. Professioneller Auftritt: Wesentlicher Schwerpunkt der Verhandlung

Neben einer guten Vorbereitung und der Aufstellung eines interdisziplinären Teams ist auch die Verhandlung selbst systematisch zu planen und vorzubereiten. Zum einen müssen die Verhandlungsführer des Leistungserbringers die Hintergründe und Zusammenhänge für einzelne Forderungen bei den jeweiligen Kostenarten genauestens kennen und entsprechend stimmige Argumentationsmuster für die Verhandlung vorbereiten.

Zum anderen ist ein respektvoller Umgang, Ehrlichkeit sowie Seriosität von allen Beteiligten zu praktizieren, um eine produktive Atmosphäre zu schaffen. Wichtig sind zudem, eine klare Rollenverteilung für die Verhandlung sowie ein Skript für die Gesprächsführung, um die Reaktionsmöglichkeiten bei konflikthaftem Verhandlungsverlauf bzw. der Kompromissfindung zu optimieren. Ein wesentlicher Indikator für die Professionalität eines Leistungserbringers ist, dass die, dass dessen Forderungen für den Kostenträgerseite nachvollziehbar, belegt und realistisch sind – dies spart allen Beteiligten Zeit und Ressourcen.  

5. Gesamtüberblick: Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung

Mit einem Abschluss und der neuen Vergütungsvereinbarung in der Hand endet oft die Verhandlung für den Leistungserbringer. Doch nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung! Denn die nächste Verhandlung ist bereits in Sichtweite. Letztlich bearbeitet eine Organisation parallel immer drei Entgeltverhandlungen in einem Jahr: 1. den Vollzug der derzeit gültigen Vereinbarung, 2. die Nachkalkulation der letzten Verhandlungsrunde sowie 3. die Vorbereitung der nächsten Verhandlung. Zur Vorbereitung der kommenden Verhandlung sind folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Die Dokumentation der aktuellen Verhandlung und des Verhandlungsergebnisses ist sinnvoll, um auch bei der nächsten Verhandlung einen Überblick über getroffene Absprachen zu behalten und einen Ausgangspunkt für die Diskussion zu haben. Aus der Dokumentation sollte hervorgehen, welche Konfliktlinien nicht gelöst werden konnten. Zudem hat sich als sinnvoll erwiesen, eine Übersicht zu erstellen, die die verschiedenen Angebote der Kostenträger und Leistungserbringer in der Verhandlung abbilden.
  • Eine Nachkalkulation der Ergebnisse und die Verankerung der erzielten Ergebnisse im Controlling bzw. als Grundlage der Wirtschaftsplanung ist sinnvoll, um Plan-Ist-Abweichungen zu den vereinbarten Entgelten erstellen zu können. Sofern wissentliche Verschiebungen zwischen Sachkostenpositionen in Verhandlungen vorgenommen wurden, sollte dies dementsprechend auch bei Plan-Ist-Abweichungen berücksichtigt werden.

Gerne begleiten wir Sie auf dem Weg bei der Durchführung und Vorbereitung von Entgeltverhandlungen.

Sprechen Sie uns einfach an. Unsere Spezialisten Herr Ebert und Herr Pfahler stehen Ihnen hier gerne zur Verfügung.