Die Brücke schlagen zwischen Controlling und Entgeltverhandlungen:
Potenziale und Grenzen der Verdrahtung zweier Welten

Jede neue Entgeltverhandlung beansprucht in sozialwirtschaftlichen Organisationen viele Personalressourcen: Mit einem hohen Maß an händischer Fleißarbeit und umfangreichen Kalkulationen müssen die Zahlenwerke aus den beiden Welten „Controlling“ und „Finanzierung“ wieder aufwendig in Einklang gebracht werden, damit Entgeltverhandlungen zielführend aufgenommen und abgeschlossen werden können. Dieser jährlich anfallende Aufwand lässt sich reduzieren, indem die Finanzierungslogik dauerhaft im Controlling verankert wird. Sowohl die Potenziale und Grenzen als auch die kritischen Erfolgsfaktoren für das Gelingen einer solchen dauerhaften Verzahnung beider Welten in sozialwirtschaftlichen Organisationen wollen wir Ihnen im Folgenden darstellen.

Verdrahtung zweier Welten

Die Finanzierung der Eingliederungshilfe und der Pflege haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Zentrale Treiber dieser Entwicklung sind einerseits das Bundesteilhabegesetz sowie andererseits das zweite und das dritte Pflegestärkungsgesetz und weitere gesetzliche Neuregelungen (bspw. GPVG). Als Konsequenz für die Praxis lässt sich daraus festhalten, dass die Finanzierungsstrukturen deutlich kleinteiliger und eine Zuordnung des Personals und der entstandenen Aufwendungen nicht leichter geworden sind.

Die beiden Welten Controlling und Finanzierung kennzeichnen unterschiedliche Sichtweisen. Controller denken üblicherweise in Organisationsstrukturen und blicken in der Kostenarten- und Kostenstellenrechnung „im Rückspiegel“ auf angefallene Kosten. Der Entgeltverhandler hingegen arbeitet prospektiv: Das vorhandene Zahlenwerk aus dem Controlling versucht er so zu modellieren, dass zukünftige Entwicklungen darin adäquat abgebildet werden. Statt in Organisationsstrukturen denkt der Entgeltverhandler in verschiedenen Finanzierungstöpfen, aus denen sich künftige Kosten refinanzieren lassen.

Durch die Entwicklungen der letzten Jahre klaffen die beiden Welten klaffen zunehmend auseinander und müssen Jahr für Jahr aufwendig zusammengeführt werden. Dieser Aufwand ließe sich erheblich reduzieren, indem beide Welten im Controlling dauerhaft miteinander verdrahtet werden. Häufig scheitert dies jedoch an der nicht vorhandenen Abbildung der Refinanzierungsgegebenheiten in der Kostenstellen-/Kostenträgerrechnung, da

  • im Personalcontrolling die Personalkosten nicht analog den vereinbarten Personalstellen in Dienstgruppen gegliedert sind (-> Schwierigkeiten bei der Zuordnung des Personals)
  • in der Kostenstellenrechnung die Umlagen nicht in Personal- und Sachkosten gesplittet sind (bspw. zentrale Küche in der Eingliederungshilfe -> Personal wird über die Fachleistung finanziert, Lebensmittel über Leistungsberechtigte)
  • eine Kostenträgerrechnung, die die Refinanzierungsstrukturen korrekt abbildet, nicht durchgeführt wird und
  • die Kostenrechnung eine ausschließlich retrospektive Sichtweise hat und somit keine prospektiven Zahlen für die Vergütungsverhandlungen liefert.

Damit der jährlich anfallende Aufwand dauerhaft reduziert werden kann, gilt es ein stabiles Fundament im Controlling zu entwickeln. Dieses sollte sich aus folgenden Bausteinen zusammensetzen:

  1. Ergänzung der Personalplanung um Kostenstellen- und Kostenträgerinformationen, um eine Zuordnung des Personals auf die verschiedenen Finanzierungstöpfe zu erreichen. SOLL-IST-Abgleiche des Personals sind dadurch unterjährig einfacher möglich und die Vorbereitungen der Entgeltverhandlungen werden erleichtert.
  2. Anpassung Umlagenrechnung oder Splittung der internen Verrechnungspreise, um eine Trennung der Kostenarten auf den Vorkostenstellen zu erreichen. Die ermöglichte Kalkulation getrennter Verrechnungspreise/Umlagen gewährleistet eine präzisere und plausiblere Zuordnung zu den jeweiligen Finanzierungstöpfen.
  3. Aufbau einer Kostenträgerrechnung zur Abbildung der verschiedenen Finanzierungsbestandteile innerhalb einer Kostenstelle, um die Preisuntergrenze (Selbstkosten) für eine Leistung zu ermitteln.
  4. Einführung einer kostenstellenbezogenen Plankostenrechnung, um die Kosten für einen festgelegten Zeitraum in der Zukunft abzurufen, die dann Grundlage für die Vergütungsverhandlungen sind.

In diesem Kontext ist der Aufbau einer technischen Zielarchitektur insbesondere für jene sozialwirtschaftlichen Organisationen, die sich bisher in der Excel-/Access-Welt bewegten oder ausschließlich auf das (Teil-)Controlling von Primärsystemen gesetzt haben, von großer Bedeutung.  Um ein zukunftsfähiges Controlling aufzubauen, entscheiden sich soziale Organisationen immer häufiger, ein integriertes Business-Intelligence-Tool (BI) einzuführen. In ein solches System fließen Informationen aus verschiedenen operativen Systemen (z. B. Klientenverwaltung, Rechnungswesen, Dienstplanung, Personalwesen) ein, werden dort verarbeitet und dann in einem für Auswertungen geeigneten flachen Format zwischen­gespeichert. Diese Daten bilden die Grundlage für eine adressatenorientierte Aufbereitung der Infor­mationen.  

Weitere Informationen dazu finden hier.

Die Potenziale der Verdrahtung der Welten Controlling und Finanzierung  sind vielfältig

  • Ein SOLL-IST-Abgleich des Personals ist unterjährig einfacher möglich
  • Es entsteht eine solide Datenbasis, um Entgeltverhandlungen zielführend aufnehmen und abschließen zu können
  • Die Effizienz zeigt sich im immensen Zeitgewinn innerhalb des Verhandlungsgeschehens
  • Quersubventionierungsbedarfe lassen sich leichter erkennen
  • Bei einem Belegungsstopp/-einbruch, lässt sich leichter erkennen, welche Stellen betroffen und wo gewisse Einsparmaßnahmen nötig sind
  • Nicht zu vernachlässigen ist der Refinanzierungsgrad der entsprechenden Overhead-Kosten

Die Grenzen der Verdrahtung beider Welten sollten nicht außer Acht gelassen werden

  • Die kontinuierliche Pflege und Eingabe der Daten (Flächenschlüssel, Umlageschlüssel, KdU-Grenzen etc.) benötigt viel Zeit und Aufwand auch bei Umstellung der technischen Architektur
  • Verankerung des Wissens zu beiden Welten und deren Verdrahtung in der Organisation (Stichwort: Wissensmanagement)
    • Wissenszirkel zwischen den Welten Entgeltverhandlung und Controlling, aber auch Personalverwaltung, Buchhaltung und fachlich Verantwortlichen (Leistungsvereinbarung, Fachkonzept, akzeptierte / nicht akzeptierte Kostenbestandteile…)
    • personenunabhängige Wissensverankerung in der Organisation (getroffene Absprachen mit den Kostenträgern, Verhandlungsprotokolle etc.)
  • Vorbereitungen der Entgeltverhandlungen bleiben stellenweise – meist aus Effizienzüberlegungen heraus – trotzdem händisch
    • Händische Nachkalkulation von kurzfristigen PersonalwechselnAbgrenzung der Sachkosten verschiedener „kleinerer“ Leistungen (z. B. Sachkosten für § 43b-Zuschlag)
    • Unvorhergesehene deutliche Kostensteigerungen (z. B. Energie)

Der Weg zur Verdrahtung beider Welten lohnt!

Wie die Ausführungen verdeutlichen, ist die Verdrahtung der beiden Welten, vor allem aus technischer Sicht, ein umfassender komplexer Prozess, der häufig auch Effekte der Organisationsentwicklung auslöst. Insofern muss dieser Prozess solide geplant durchgeführt werden, um alle Beteiligten – Leitung, Controlling, Datenlieferanten (Rechnungswesen, Personalabteilung, Fachabteilungen etc.), Adressaten des Controllings (Leitungskräfte) und IT – in den Prozess einzubinden. Entscheidend ist aber, dass die Potenziale der Verdrahtung der beiden Welten überwiegen und sie Ihr Controlling zukunftsfähig machen.

Wir unterstützen Sie gerne bei diesem Prozess mit unserer Erfahrung in den Bereichen Controlling und IT.

Unsere Ansprechpartner sind: Johannes Pfahler, Simon Ebert und Benedikt Wismans