Leistungssteuerung im Kontext des BTHG als kybernetischer Regelkreis

Mit dem BTHG wurden in der Eingliederungshilfe die Parameter für die Steuerung der Leistungen neu justiert. Dafür sind zwei Größen von besonderer Relevanz, die Personenzentrierung und die Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsmessung.

Beide Aspekte sind eng miteinander verknüpft. Die Personenzentrierung ist Treiber für Inhalte und Formen der Leistungserbringung. Demgegenüber geben Wirkungs- und Wirksamkeitsmessung Auskunft auf folgende Fragen: Ist erstens der Assistenzbedarf gedeckt, wurden zweitens die Ziele/Wünsche von Menschen mit Behinderung erreicht (individuelle Wirkung) und ist drittens das jeweils etablierte Angebot einer Sozialen Organisation dazu geeignet, die fachlichen Ziele zu erreichen (Wirksamkeit des Angebots)?

Da die Finanzierungsträger beide Größen maßgeblich beeinflussen – die fachlichen Ziele (Assistenzbedarfe, Ziele/Wünsche) über die Gesamtplanung und das Ergebnis der fachlichen Intervention über die Wirkung- bzw. Wirksamkeitsmessung – ist es sinnvoll sich mit der Frage zu beschäftigen, an welchen Stellen im Teilhabeprozess welche Steuerungsaspekte von Bedeutung sind. Heuristisch hilfreich ist es dabei, den Teilhabeprozess als kybernetischen Regelkreis zu verstehen.

I. Input-Größen und Planungsprozess

Im Rahmen dieses Modells resultiert aus dem Teilhabe-/Gesamtplanverfahren die SOLL-Größe für den Teilhabeprozess. Hier werden Art, Inhalt und Umfang der Leistungen sowie die Ziele und Wünsche eines Menschen mit Behinderung beschrieben. Diese Informationen bilden aus Sicht einer sozialen Organisation den zentralen fachlichen Input-Faktor. Gleichzeitig werden erstens für Umfang und Art Leistung über die Leistungs- und Entgeltvereinbarungen Ressourcen zur Verfügung gestellt. Zudem werden an die Ressourcen bestimmte qualitative Vorgaben geknüpft (z. B. Qualifikationsniveau des Personals, Personalsschlüssel).

Da die Organisation am Ende des Teilhabeprozesses am Grad der Zielerreichung gemessen wird (Wirkung), ist bereits hier von Bedeutung zu prüfen, ob das vorgehaltene Angebot für einen Menschen mit Behinderung mit den verfügbaren Mitteln überhaupt erreichbar ist. Dies setzt eine fachlich begründete Prognose auf das Gelingen des Teilhabeprozesses, also auf die Effekte der fachlichen Interventionen voraus.

Fällt die Prognose zum Teilhabeprozess positiv aus, startet in der Organisation ein fachlicher und betriebswirtschaftlicher Planungsprozess. Assistenzbedarfe, Ziele und Wünsche des Menschen mit Behinderung müssen hier in eine Assistenz- und Dienstplanung übersetzt werden. Dabei sind Aspekte der Effizienz und der Effektivität gleichermaßen für die Steuerung von Bedeutung: Effizienz ist im Hinblick auf den Personal- und Ressourceneinsatz zu gewährleisten (im Rahmen der mit dem Finanzierungsträger vereinbarten Leistungen), Effektivität adressiert auf die individuelle Wirkung.

Dieser Planungsprozess muss organisatorisch ausreichend abgesichert werden, weil bereits hier wichtige Weichen gestellt und Fehler (fachliche und ökonomische) vermieden werden können. In der Praxis führt dies dazu, dass viele Organisationen den Prozess des Case Managements neu strukturieren und stärker zentralisieren, um die Kompetenzen/Talente der Mitarbeitenden und Ressourcen der Organisation bei der Zielerreichung optimal nutzen zu können: So werden z. B. voraussichtlich nicht alle Ziele/Wünsche von Klienten in besonderen Wohnformen im Gruppenkontext bearbeitet werden können.

Dadurch wird die Planungskomplexität erhöht, weil Mechanismen entwickelt werden müssen, wie in oder neben einem Gruppensetting Assistenzleistungen (individuell oder gemeinschaftlich) erbracht werden können, wobei ggf. auch andere Akteure – Mitarbeitende aus anderen Gruppen, interne Dienstleister (z. B. Dienste für offene Behindertenarbeit) oder externe Kooperationspartner (z. B. Vereine) – eingebunden werden können.

II. Leistungserbringung, fachliche Intervention

Inhalte und Form der Leistungserbringung werden maßgeblich durch die mit den Finanzierungsträgern vereinbarten Leistungs-/Entgeltverhandlungen sowie die von den Leistungserbringern erstellten Fachkonzepte geprägt (Zielgruppen, Methoden und Konzepte z. B. zur Personenzentrierung, Sozialraumorientierung, Beschwerdemanagement, Gewaltprävention etc.).

Leistungsversprechen und Vertragskonformität

Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen (der Status von Fachkonzepten ist hier noch nicht ganz geklärt) werden von den Finanzierungsträgern deshalb als Leistungsversprechen interpretiert. Im Rahmen einer Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, einschließlich der Wirksamkeit, ist genau dieses Leistungsversprechen Gegenstand des Prüfungsprozesses.

Dabei geht es zum einen um Vertragskonformität in dem Sinne, dass die vereinbarten Personalmengen und Personalschlüssel nachgewiesen werden müssen. Zum anderen wird geprüft, ob die fachlichen Konzepte, z. B. zur Sozialtraumorientierung, so implementiert sind, dass sich deren Wirksamkeit erkennen lässt.

Vermessen wird letztlich das gesamte Angebot über Merkmale der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Dem liegt die (empirisch nicht belegte) Annahme zu Grunde, dass ein wirksames Angebot die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche individuelle Assistenz- und Teilhabeprozesse erhöht.

Fachliche Wirkung

Aus Sicht der Leistungsberechtigen sind im Rahmen der Leistungserbringung vor allem folgende Aspekte von Bedeutung:

  • Der Umfang und die Qualität der Assistenzleistungen, die zur Verfügung gestellt werden (bedarfsgerechte Leistungsmenge).
  • Der zielgerichtete Einsatz der Assistenzleistungen, um an der Erreichung individuell vereinbarter Teilhabeziele zu arbeiten.
  • Die Servicequalität, in der diese Assistenzleitungen erbracht werden.
  • Das Maß der subjektiven Lebensqualität, die durch die Assistenzleistungen und das Angebot generiert werden.

Diese Aspekte finden sich einzeln oder in Kombination auch in den Rahmenverträgen der Bundesländer, als mögliche Kriterien zur Messung der individuellen fachlichen Wirkung eines Angebots, sind somit auch aus Sicht des Finanzierungsträgers wichtige fachliche Wirkungen. Die damit einhergehenden instrumentellen und methodischen Herausforderungen sind vielfach zwar erst in Ansätzen gelöst1, die Richtung ist aber vorgegeben: In Zukunft müssen sich Soziale Organisationen intensiver mit der Frage beschäftigen, welche (im Idealfall empirisch belegbaren, zumindest aber fachlich plausiblen) Wirkungen sie im Rahmen eines Teilhabeprozesses bei Menschen mit Behinderung generieren.

Die fachliche Intervention ist wiederum an die betriebswirtschaftliche Effizienz gekoppelt und muss deshalb auch betriebswirtschaftlich intensiv gesteuert werden. Dafür sind in der Sozialwirtschaft häufig nur wenige Schlüsselkennzahlen (z. B. Auslastung, Personalschlüssel, FLS je Mitarbeitende etc.) erforderlich, die zudem eine gute ex ante Steuerung ermöglichen. Ex ante meint hier: Die Steuerung basiert auf erfolgsrelevanten SOLL-Größen, deren Einhaltung den wirtschaftlichen Erfolg sichern.

III. Messung und Reporting Dokumentationssystem als Grundlage des fachlichen Controllings

Unabhängig davon, ob die Wirkungen oder die Wirksamkeit im Fokus stehen: Um gegenüber dem Finanzierungsträger auskunftsfähig zu sein, ist ein geeignetes Dokumentationssystem auf Seiten der Leistungserbringer wesentliche Voraussetzung. In diesem müssen die Assistenzbedarfe und Ziele/Wünsche der Leistungsberechtigten sowei die Vorgaben der Leistungsvereinbarung in überprüfbarer Form abgebildet sein. D.h. ein fachliches Konstrukt, wie etwa die Sozialraumorientierung, muss entsprechend heruntergebrochen werden in Items, die z. B. empirisch nachvollziehbar erkennen lassen, wie viele Klienten welche Aktivitäten im Sozialraum wahrgenommen haben. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen welche Inhalte im Fachkonzept hinterlegt werden. Sinnvoll ist es hier, nur Inhalte aufzunehmen, die auch in der Finanzierung berücksichtigt sind.

Diese Daten müssen in digitaler Form vorgehalten werden, weil nur so gewährleistet ist, dass auf die Daten bei Bedarf für das fachliche Controlling und Reporting, aber auch z. B. bei Prüfungen durch den Finanzierungsträger, unkompliziert zugegriffen werden kann. Dies erfordert vermutlich in zahlreichen Organisationen entsprechende Investitionen in entsprechende Softwaresysteme.

Die Qualität einer Dokumentation hängt jedoch nur z.T. von den technischen Voraussetzungen ab. Mindestens ebenso wichtig ist die kontinuierliche Pflege der Dokumentation. Dies hat wiederum weitere Implikationen:

  1. Die Inhalte und Anforderungen einer Dokumentation erfordern ausreichende Schulungen von Mitarbeitenden, um bei ihnen ein Bewusstsein für deren Notwendigkeit zu wecken. Nur so ist auch eine ausreichende Datenqualität zu erreichen.
  2. Wichtig ist hier zudem, dass die Dokumentation nicht nur für ein externes fachliches Controlling aufgebaut wird, sondern auch Basis und Bezugspunkt für die eigenen routinemäßigen Qualitätsentwicklungsprozesse (z. B. Team- und Fallbesprechungen) einer Sozialen Organisation ist.
  3. Das fachliche Controlling und Reporting, das auf der Basis der Dokumentation entsteht, muss adressatengerecht sein. D.h. das Controlling muss sich auf die wesentlichen Steuerungsgrößen beschränken und diese in einer nachvollziehbaren Form präsentieren.

Das fachliche Controlling muss dabei – in Verbindung mit dem betriebswirtschaftlichen Controlling – über eine Vielzahl von Aspekten Auskunft geben (Auswahl aus Rahmenverträgen der Bundesländer):

Im Idealfall können die Daten aus dem fachlichen Controlling mit den Daten aus dem betriebswirtschaftlichen Controlling verknüpft werden. Dies ist insbesondere dort wichtig, wo Leistungssysteme modulare Leistungspakete oder individuelle Assistenzleistungen (in Form von FLS) an entsprechende Stellenschlüssel, Leistungsstufen und Geldmengen gekoppelt sind. Auch hier muss das Controlling auskunftsfähig sein, weil nur so überprüft werden kann, ob etwa für bestimmte Zielgruppen verhandelte Leistungspakete oder individuelle Assistenzleistungen wirtschaftlich tragfähig sind und fachlich zielführend sind.

IV. Analyse und Steuerung

Die Messdaten aus dem fachlichen Controlling und Reporting bilden als IST-Werte die Grundlage der Datenanalyse für eine zurückliegende Beobachtungsperiode (z. B. ein Quartal, ein Monat). Durch den Abgleich der Messdaten mit den SOLL-Werten werden bei Abweichungen entsprechende Steuerungsmaßnahmen für eine Folgeperiode ausgelöst.

Für eine qualifizierte Steuerung ist es erforderlich, dass die leitenden Mitarbeitenden die Controlling-Informationen in entsprechende Steuerungsimpulse umsetzen können. Die Mitarbeitenden müssen also über entsprechendes Know-how und Handlungsoptionen verfügen.

Ein wichtiger Aspekt des fachlichen Controllings ist, dass dies auch die Grundlage für eine Qualifizierung der Fortschreibung von Teilhabe- / Gesamtplanungen sein kann. Veränderte Assistenzbedarfe sowie Ziele und Wünsche des Klienten können in den Teilhabeprozess eingespeist werden. Dies kann möglicherweise nicht direkt erfolgen, weil Leistungserbringer nicht mehr regelhaft, sondern nur noch auf Wunsch der Klienten am Teilhabe-/Gesamtplanverfahren beteiligt sind. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass über den Klienten, dessen Angehörige, gesetzliche Betreuer oder im direkten Austausch mit den Finanzierungsträgern auf veränderte Parameter hingewiesen wird, so dass der Teilhabeprozess mit veränderten Eingangsparametern fortgesetzt wird. Da diese Eingangsparameter auch wieder finanzielle Impacts haben, wird wieder deutlich, wie eng betriebswirtschaftliche Steuerung und fachliches Controlling im Rahmen des BTHG ineinandergreifen.

Fazit

Der kurze gedankliche Spaziergang entlang der Stationen des kybernetischen Regelkreises für das fachliche und betriebswirtschaftliche Controlling verdeutlicht: Das Controlling in der Eingliederungshilfe wird komplexer, umfangreicher und es wird in Zukunft integraler Bestandteil des Arbeitens auf allen Organisationsebenen werden. Insofern gilt es, sich entsprechend vorzubereiten.

Wenn Sie dazu mit uns ins Gespräch kommen möchten, können Sie sich gerne wenden an:

Stefan Löwenhaupt (E-Mail: loewenhaupt@xit-online.de, Tel.-Nr. 0911 2022750)


  1. dies sind u. a.: Impacts der Assistenz im Hinblick auf Zielerreichungsgrade von Leistungsberechtigten (u.a. Eineindeutigkeit, Transitivität von Zielen, Notwendigkeit zur Mitwirkung des Leistungsberechtigten bei der Erreichung der Ziele etc.), Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit Aspekten der Servicequalität (z. B. Responsivität der Mitarbeitenden) und individueller fachlicher Wirkung.